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Feine Rußpartikel sind gefährlicher als dunkler Lkw-Qualm. | Zytotoxisch und entzündungsfördernd. | Tübingen. Die nur noch 5 bis 20 Nanometer (1 Nanometer/nm = 1 Millionstel mm) kleinen Rußpartikel aus schadstoffarmen Diesel-Motoren der Euro-IV-Norm schädigen das menschliche Immunsystem fast doppelt so stark wie die schwarzen Qualmwolken, die früher ein Lkw-Diesel-Auspuff emittierte. Dies behaupten Max-Planck-Wissenschafter aus Berlin und Mediziner aus Rom. Sie fordern gemeinsam neue, bessere Rußfilter, die auch feinste Partikel zurückhalten.
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In einem gemeinsamen Forschungsprojekt untersuchten Forscher des Fritz-Haber-Instituts, Berlin-Dahlem, und des Instituts für Neurobiologie und Molekulare Medizin, Rom, die Zytotoxizität und das inflammatorische Potenzial der nur noch wenige Nanometer kleinen Rußpartikel. Im Gegensatz zu den früher üblichen dichten, schwarzen Abgas-Wolken entweichen aus den modernen Lkw-Motoren durch bessere Kraftstoff-Verbrennung deutlich kleinere, fast transparente und schadstoffarme Abgasmengen. Für sie gelten seit bereits 1988 europaweit einheitliche Werte. Seit Inkrafttreten der Euro-IV-Norm im Jahr 2005 dürfen Dieselmotoren in Pkws nur noch maximal 25 mg Rußpartikel pro gefahrenen Kilometer emittieren.
Emittierte Rußpartikel killen Makrophagen
Ist auch in gleichem Maß, d.h. um die Hälfte, die Gefährdung der Umwelt zurückgegangen? Dieser Frage gingen Chemiker aus Berlin und Mediziner aus Rom nach. Sie untersuchten die im Vergleich zu früher mit 5 nm bis 20 nm nur noch halb so großen emittierten Rußpartikel und stellten fest, dass diese überaus gesundheitsschädlich sind. Fritz-Haber-Instituts-Mitarbeiter Dang Sheng Su, der mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen zu diesem Thema aufzuweisen hat, untersuchte und charakterisierte kleine und große Rußpartikel mit der Transmissions-Elektronen-Mikroskopie. Er sagt: "Es kommt ganz auf die Dosis an! Doch in dem von mir vorgestellten Test sind die kleinen Rußpartikel doppelt so schädlich wie die großen Teilchen."
In Tests an Zellkulturen griffen die feinsten Rußpartikel signifikant mehr Makrophagenzellen des menschlichen Immunsystems an als große und töteten sie. Eine genügende Anzahl sogenannter Fresszellen gehört zur Grundausstattung des Immunsystems des Menschen. Sie schützen ihn vor Infektionen und Antigenen.
Die erhöhte Aggressivität der nanokleinen Rußpartikel führen die Wissenschaftler um Dang Sheng Su auf deren fullerenähnliche Struktur zurück. Fullerene sind fast kugelförmige Moleküle, die nur aus Kohlenstoff bestehen. Dazu kommen kleinste aggressive, chemische Moleküle (OH-Gruppen) auf ihren Zelloberflächen, die sie noch reaktiver machen. Die feinen Rußpartikel dringen leichter in das menschliche Lungengewebe ein als der Ruß aus den früheren Diesel-Abgasemissionen.
Neue leistungsfähigere Rußfilter gefordert
"Politik und Industrie haben sich zu sehr auf die Reduzierung von Rußemissionen fokussiert", deutet Robert Schlögl auf qualitative Versäumnisse hin. Der Direktor des Berliner Fritz-Haber-Instituts fordert die Entwicklung neuer, leistungsfähiger Rußfilter für Diesel-Motoren, die auch kleinste Partikel zurückhalten. Erst dann werden die neuen Diesel-Motoren nach der Euro-IV-Norm auch einen großen Schritt zu mehr Umweltfreundlichkeit darstellen. Am Fritz-Haber-Institut in Berlin war über viele Jahre Gerhard Ertl tätig, der 2007 den ungeteilten Nobelpreis für Chemie für seine Erforschung der Katalyse an Oberflächen erhielt. Zwar wurden die Tests in Berlin diesmal mit Partikeln aus Lkw-Diesel-Motoren vorgenommen, doch gehen die Wissenschafter davon aus, dass die Ergebnisse auf Diesel-Motoren in Pkws übertragbar sind. Mitte nächsten Jahres soll die vom EU-Parlament bereits verabschiedete Euro-V-Verordnung für Abgasemissionen von den EU-Mitgliedsländern individuell eingeführt werden. Die Partikelmasse wird dann auf noch 5 mg Dieselruß pro gefahrenen Kilometer reduziert.