Sozialdemokratische Parteien fordern EU-Strategie für Asyl und Zuwanderung.
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Brüssel. Es sollte ein Weckruf sein. Dieses Schlagwort war nach dem Tod hunderter Flüchtlinge vor der italienischen Insel Lampedusa oft zu hören - aus der EU-Kommission, dem Europäischen Parlament und auch aus etlichen Mitgliedstaaten. Europa sollte mehr tun, um solche humanitären Katastrophen zu verhindern, um Menschen von gefährlichen Überfahrten abzuhalten, hieß es. Und von mancher Seite kam auch die Forderung, gemeinsame Vorschriften zur Einwanderung zu schaffen. Migrationsexperten weisen nämlich seit längerem darauf hin, dass sich illegale Zuwanderung ohne Regeln für legale Migration nicht eindämmen lasse.
In der EU kreiste die Debatte in den vergangenen Jahren aber hauptsächlich um Aspekte der Abschottung: Die Länder legten ihr Augenmerk vor allem auf die Sicherung der Außengrenzen und auf Mechanismen, die Menschen davon abhalten sollten, nach Europa zu gelangen. Ein Ansatz für eine europäische Einwanderungspolitik war nicht zu finden. Allzu sehr beharren die Staaten auf ihre nationalen Kompetenzen: Die Regelungen für ihre Arbeitsmärkte - und damit die Arbeitsmigration - wollen sie nicht aus der Hand geben.
Das kritisieren nun verstärkt die Sozialdemokraten im EU-Parlament. Deren Fraktionsvorsitzender Hannes Swoboda griff eine Initiative einiger Parteikollegen aus mehreren nationalen Parlamenten auf, die eine EU-Strategie für Asyl und Zuwanderung fordern. Die Union müsse ihre Verantwortung gegenüber Flüchtlingen übernehmen, erklärte Swoboda. Denn die Menschen seien in Europa gestorben. Da es sich um gemeinsame Grenzen handle, müsste die EU mit den Anrainerstaaten zusammenarbeiten. Es sei pervers, dass es EU-Geld für Entwicklungshilfe gibt, die Mittel aber nicht abgeholt werden, sagte Swoboda nach einem Treffen mit Abgeordneten aus Italien, Malta, Spanien und Frankreich.Roberto Speranza von der Demokratischen Partei in Italien wies darauf hin, dass die EU ihre Bemühungen auf zwei Ebenen forcieren sollte. Neben der Kooperation mit den Mittelmeerstaaten sollte es die Errichtung eines europäischen Einwanderungssystems sein. "Migration kann nicht als innenpolitische Angelegenheit angesehen werden", betonte Speranza. Laut Swoboda wäre ein europäisches Quotensystem für Jobsuchende, das die Bedürfnisse der nationalen Arbeitsmärkte berücksichtigt, denkbar.
Länder wehren Debatte ab
Eine Gelegenheit, darüber zu diskutieren, hätten die Mitgliedstaaten beim Gipfeltreffen ihrer Staats- und Regierungschefs gehabt. Das Thema wurde aber nur am Rande behandelt. Im Schlussdokument des Gipfels wird zwar das Unglück vor Lampedusa erwähnt und betont, dass alles getan werden sollte, um "solche menschlichen Tragödien" in Zukunft zu vermeiden. Eine "umfassendere Perspektive" für die Asyl- und Einwanderungspolitik soll aber erst im Juni des kommenden Jahres entworfen werden.