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Ruf nach stärkerem Grenzschutz

Von WZ-Korrespondent Andreas Lieb

Politik

Österreich und sieben weitere EU-Länder fordern mehr Überwachung und Rückführungen.


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Unmittelbar vor dem Migrationssondergipfel am Donnerstag erhöht Österreich im Einklang mit sieben weiteren Ländern den Druck. In einem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel halten Bundeskanzler Karl Nehammer und seine Amtskollegen und -kolleginnen aus Dänemark (Briefinitiatorin Mette Frederiksen), Griechenland (Kyriakos Mitsotakis), Lettland (Krisjanis Karins), Slowakei (Eduard Heger), Malta (Robert Abela), Estland (Kaja Kallas) sowie Litauen (Gitanas Nauseda) noch einmal jene Forderungen fest, die schon seit geraumer Zeit aufgelistet werden. So soll ein neuer Ansatz der Kommission eine "weitere Stärkung des Schutzes der Außengrenzen" enthalten, "einschließlich des Aufbaus von Infrastruktur und Luftraumüberwachung im Bereich vor den Seegrenzen".

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex müsse ihre "zentrale Rolle in vollem Umfang wahrnehmen", auch im Bereich der Rückführung und in Drittstaaten, um irreguläre Grenzübertritte zu verhindern. Verlangt werden ebenso EU-Außengrenzschutzstandards sowie zusätzliches Geld im Rahmen des bestehenden EU-Budgets für operative und technische Maßnahmen für eine wirksame Grenzkontrolle.

"Kein Geld für Zäune"

Nicht ausdrücklich inkludiert ist die Forderung nach einer Finanzierung weiterer Zaunanlagen, eine der Hauptstoßrichtungen aus Wien. Nachdem Österreich sein Veto gegen den Schengenbeitritt Bulgariens und Rumäniens mehr oder weniger fest an den Zaunbau geknüpft hatte, war das Thema zuletzt mit wachsender Zurückhaltung kommentiert worden. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hatte von Beginn der Debatte an klargemacht, dass von den 6,4 Milliarden Euro, die im langjährigen EU-Budget für Grenzschutz vorgesehen sind, kein Geld in teuere Zäune fließen werde. In der Vorwoche betonte sie: "Wir haben seit langem den Grundsatz, keine Mauern und Stacheldrähte zu finanzieren."

Dass Johansson hinzufügte: "Aber wir müssen unsere Außengrenzen schützen und die EU-Mittel so effektiv wie möglich einsetzen, daher schließe ich physische Infrastrukturen nicht aus", reichte in Österreich bereits für einen erstaunlichen Schwenk in der Wahrnehmung. Innenminister Gerhard Karner sah plötzlich ein "Einlenken der EU-Kommission beim Grenzschutz", der Kanzler selbst nannte den "pragmatischen Zugang" einen "Schritt in die richtige Richtung".

Anders sieht das der freiheitliche Delegationsleiter im Europaparlament, Harald Vilimsky. Er bleibt dabei: Die EU solle Grenzzäune finanzieren. Gerade an der Außengrenze zwischen Griechenland und Bulgarien einerseits und der Türkei andererseits seien solche Anlagen sinnvoll.

Österreich und die anderen Briefunterzeichner sehen einen der Hauptansatzpunkte nun darin, das ins Stocken geratene Rückführungssystem durch den "entschlossenen Einsatz aller Instrumente" wieder ins Laufen zu bringen. Auf die Rücknahmeländer soll also Druck erzeugt werden - über Visapolitik, Handel und Entwicklungsprogramme. Das hat auch Eingang auf die Gipfel-Agenda gefunden, wo es - wie immer etwas kryptisch - heißt, das Gremium der Länder werde sich mit der "Umsetzung seiner früheren Schlussfolgerungen zu einem umfassenden Migrationskonzept im Einklang mit den Grundsätzen und Werten der EU" befassen, mit einem "Schwerpunkt auf der wirksamen Kontrolle der Außengrenzen, einem verstärkten auswärtigen Handeln und innenpolitischen Aspekten". Konkrete Fortschritte oder gar fixe Beschlüsse sind aber eher nicht zu erwarten.

Kommt Selenskyj?

Der Sondergipfel nimmt nun doch gleich zwei Tage in Anspruch; das ist dem zweiten großen Themenschwerpunkt zur Ukraine geschuldet. Es geht unter anderem um den Rückblick auf den Ukraine-Gipfel vergangene Woche und den laufenden Beitrittsprozess. Zuletzt hatten sich in Brüssel die Anzeichen verdichtet, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich kommen werde - es wäre, nach einer Visite in Washington, die zweite Auslandsreise nach Beginn des russischen Kriegs mit hohem Symbolcharakter. Ob es dabei bleibt oder es zumindest zu einer massiven Programmänderung kommt, war am Dienstag ein aus Sicherheitsgründen noch gut gehütetes Geheimnis.