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Ruf nach Steuerhoheit ist nicht ehrlich gemeint

Von Walter Hämmerle

Politik

Die Länder wehren sich dagegen, für das Patt bei der Bundesstaatsreform die Verantwortung zugeschoben zu bekommen. Der Bundesrats-Vizepräsident und ehemalige Föderalismusminister Jürgen Weiss wirft im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" dem Bund vor, seine Vorschläge nach Steuerhoheit der Länder nicht ehrlich zu meinen.


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"Eine Steuerhoheit der Bundesländer führt zu Steueruneinheitlichkeit, wie wir sie in der Schweiz haben. Das will man in Österreich jedoch nicht", zeigt Weiss den Widerspruch in der Forderung nach einer Zusammenführung von Einnahmen- und Ausgabenverantwortung für die Länder auf.

Auch der Gegenvorschlag der Länder, die verworrenen Transferzahlungen zwischen den Gebietskörperschaften zu bereinigen und stattdessen fixe Einnahmenanteile an bestimmten Steuern zuzuteilen, war für den Bund nicht zustimmungsfähig. Für Weiss liegt auch der Grund auf der Hand: "Der Bund hat mehr Einfluss auf die Finanzen der Länder, wenn alle vier Jahre ein neuer Finanzausgleich verhandelt werden muss, als wenn diese langfristig festgeschrieben sind."

Auch die Antwort der Bundesländer auf den Textentwurf von Franz Fiedler, in der diese ein doppeltes Veto gegen sie selbst betreffende Bundesgesetze verlangten und der vonBeobachtern und nicht zuletzt von Seiten des Bundes als inakzeptabel zurückgewiesen worden war, verteidigte Weiss. Dieser sei gerechtfertigt gewesen, um den Einfluss der Länder auf die Gesetzgebung des Bundes sicher zu stellen, "weil sich nicht abzeichnete, dass die Rechte des Bundesrates gestärkt werden würden".

Was die Aussichten auf eine Einigung in der umstrittenen Kompetenzfrage zwischen Bund und Ländern angeht, äußert sich der ehemalige Föderalismusminister (1991-1994) pessimistisch: "Ich sehe keinerlei Anzeichen für einen Konsens und wüsste auch nicht, wie ein solcher zustande kommen könnte."

Vielleicht habe man sichhier ein wenig zu sehr von der Euphorie des EU-Konvents anstecken lassen und dabei übersehen, dass auf europäischer Ebene eine neue Verfassung unbedingt notwendig geworden war, mutmaßt Weiss. Ohne eine neue Verfassung hätte die Union nach der Erweiterung um zehn neue Mitgliedstaaten nämlich nicht mehr funktioniert.

"Einen vergleichbaren Erfolgsdruck gibt es in Österreich nicht, wir können auch mit unserer derzeitigen Verfassung sehr gut weiter arbeiten." Diesbezüglich bleibt für Weiss nur die Hoffnung auf ein "Mondfenster, um einen neuerlichen Anlauf für eine Bundesstaatsreform zu unternehmen".