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Rühe hat keinen Grund zum Jubeln

Von Jan Christoph Schwartz

Politik

Hamburg · Der gescheiterte CDU-Spitzenkandidat Volker Rühe kann mit seinem Ergebnis bei der Schleswig-Holstein-Wahl keine Punkte im parteiinternen Machtkampf um den CDU-Vorsitz machen. Die | Grünen sind nur durch die massive Unterstützung von SPD-Wählern, die dem Koalitionspartner ihre Zweitstimme gaben, wieder ins Landesparlament eingezogen. Dies sind die zentralen Interpretationen des | Ergebnisses durch die Chefs von Meinungsforschungsinstituten am Tag nach der Landtagswahl.


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Die SPD war bei der Wahl mit 43,1 Prozent erneut stärkste Kraft geworden und kann ihr Regierungsbündnis mit den Grünen fortsetzen. Rot-grün verfügt im Kieler Landtag über einen Vorsprung von drei

Sitzen gegenüber der Opposition. Allerdings kann sich die künftige Landesregierung wohl auf drei weitere Mandate des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW) stützen.

Die CDU verlor zwei Prozent und kam auf 35,2 Prozent. Die FDP steigerte sich um 1,9 Prozentpunkte und löst mit 7,6 Prozent die Grünen als drittstärkste Kraft im Landtag ab.

"Ich kann nicht erkennen, dass Rühe eine Trendwende eingeleitet hat oder sich als großer Erneuerer der CDU empfohlen hat", sagte Manfred Güllner vom Forsa-Institut am Montag. Vielmehr habe die CDU

ein so schlechtes Ergebnis eingefahren, dass man lange Zeit zurückgehen müsse, "um etwas Vergleichbares zu finden". Gegenüber der Bundestagswahl habe die CDU in Schleswig-Holstein fast jeden

fünften Wähler verloren. Auf den Bund übertragen entspräche dies einem Ergebnis von 29 Prozent.

Durch seinen "Strategiebruch" wenige Tage vor der Wahl habe sich Rühe zudem um die Chance gebracht, an das CDU-Ergebnis bei der Landtagswahl vor vier Jahren anzuknüpfen. Ein Fehler sei ferner

gewesen, den Wahlkampf auf den letzten Metern noch zu einer Abstimmung über Rühes Aussichten im Kampf gegen CDU-Generalsekretärin Angela Merkel um die Nachfolge von Wolfgang Schäuble als Parteichef

zu machen. "Das hat Rühe wichtige Punkte gekostet", sagte Güllner.

Auch nach Ansicht von Dieter Roth von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen hat Rühe nur wenig dazu beigetragen, dass der CDU der befürchtete Absturz erspart blieb.

Die Grünen, die mit 1,9 Prozentpunkten beinahe so viele Stimmen wie die CDU verloren, sind nach Überzeugung der Wahlforscher nur deshalb wieder im Landtag vertreten, weil sie durch Zweitstimmen von

SPD-Wählern massiv gestützt wurden. Es sei das erste Mal, dass die Grünen von einer solchen Zweit-Stimmen-Kampagne profitierten, betonte Roth. Er wies darauf hin, dass eine solche Überlebenshilfe

bislang nur für die FDP bekannt war, die Stimmen von CDU-Wählern erhielt und ihren Wahlkampf in der Vergangenheit oft auch darauf abgestellt hat.

Die FDP kann nach Einschätzung der Wahlforscher eine "Wiederbelebung" feiern und wieder auf eine bessere Zukunft hoffen, weil sie von den Wählern nicht mehr als "Anhängsel" der CDU wahrgenommen

werde, sondern für eigene Positionen stehe.