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Stellen Sie sich vor, Sie essen in einem Restaurant. An der Wand hängt ein Bild, das einen Delfin im Sonnenuntergang zeigt. Daneben das Porträt eines glücklichen Paars unter einem Regenbogen. Und dann noch ein "Foto" von einem Welpen mit rosa Rüschen.
Jetzt werden Sie sich vielleicht denken: Macht nix, konzentriere ich mich halt auf den Teller. Ein bisschen mehr Auge-Hand-Koordination kann bei der Nahrungsaufnahme ja prinzipiell nie schaden.
In der Praxis ist die Sache aber oft tückischer. Im öffentlichen Raum ist es nämlich meist das Gehör, dem Süße eingeflößt wird. Und die Ohren sind, wie schon Eduard Hanslick in seinem Aufsatz über Klaviergeklimper (Probleme hatte der!) schrieb, ein wehrloses Organ.
Gar nicht auszudenken, wie sich der Kritikerpapst der Romantik über den heutigen Klangmüll alterieren würde. Vom Popgedudel im Supermarkt ganz zu schweigen. So bitter es ist, zwischen Klopapier und Katzenfutter zum einmillionstenmal mit "Losing My Religion" behelligt zu werden, kann das doch immer noch fast als Privileg gelten gegenüber jenen Martern, die einem heute im Wellness-Hotel blühen. Martern, die man Eso-Muzak nennen könnte - ein öliges Gemisch aus China-Gongs, Frauengeseufze, Synthiesphären und Om-Gebrummel. An sich im Massageraum beheimatet, hat es, und das schlägt dem Fass den Boden aus, nun sogar die Sauna erobert. Sollten Sie mich aus einer solchen fliehen sehen: Die 90 Grad waren’s nicht. Sondern das tönende Produkt einer Irrlehre, die den Menschen nur dann entspannt sieht, wenn er bloß nicht jenem Phänomen ausgesetzt wird, das ihn mit sich selbst konfrontiert und da heißt - Stille.