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Rumänien entfernt sich von EU-Standards

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv
Bulgariens Premier Borissow verwies bei seinem Wien-Besuch auf den Reformwillen seines Landes. Foto: ap/Punz

Bulgarien zeigt erstmals "politischen Willen". | Beiden Ländern drohen keine EU-Sanktionen. | Brüssel. Der EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens ist zwar schon zweieinhalb Jahre her. Doch noch heute erfüllen die Länder EU-Standards in zentralen Bereichen wie Justiz und Korruptionsbekämpfung bei weitem nicht. Von Sanktionen ist dennoch keine Rede mehr.


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In ihrem vierten Fortschrittsbericht seit dem Beitritt attestierte die EU-Kommission den Rumänen sogar "einen ernsthaften Rückschritt". Denn die so genannte Integritätsagentur, die korrupten Politikern und Beamten das unrecht erworbene Geld wieder abnehmen soll, wurde per Parlamentsentscheid entmachtet. Die entsprechende Gesetzesänderung "verstößt eindeutig gegen die von Rumänien beim Beitritt eingegangenen Verpflichtungen".

Auch sonst gebe es "wesentliche Unzulänglichkeiten" bei den Reformfortschritten. Erst für Oktober 2011 ist nach neuem Zeitplan das Inkrafttreten einer dringend erwarteten neuen Zivil- und Strafprozessordnung vorgesehen. Das Land leide "unter dem fehlenden guten Willen der oberen Justiz, zugunsten der Reformen zu kooperieren". Positiv fallen immerhin "Initiativen einzelner Richter" auf. Auch gebe es "erste Ergebnisse" bei der Aufspürung der Korruption durch die Generalstaatsanwaltschaft.

Frei trotz Verurteilung

Besser kommt vom Ton her Bulgarien weg, dem erstmals "ein starker politischer Willen" zur Reform bescheinigt wird. Auch sei ein Fortschritt, dass Polizisten als Zeugen vor Gericht aussagen dürfen und die Identität von Zeugen zunehmend geschützt werde. Erste Urteile wegen hochrangiger Korruption und organisierter Kriminalität liegen vor. Schönheitsfehler ist, dass Verurteilte trotz teils langjähriger Gefängnisstrafen immer noch frei sind. Denn wenn sie Rechtsmittel einlegen, dürfen sie in Freiheit auf das Berufungsverfahren warten.

Richter und Staatsanwälte gehen Angelegenheiten, in denen ein Straftatverdacht vorliegt, "nur selten in effizienter Weise nach", heißt es im Bericht. Eine Reihe von Razzien gegen kriminelle Vereinigungen hätten nur selten ein gerichtliches Nachspiel gehabt. Heuer habe es drei ungeklärte Auftragsmorde auf offener Straße gegeben.

Trotz dieser Beurteilungen "gibt es derzeit keine Überlegungen, EU-Förderungen für die beiden Länder einzufrieren. Unser Fokus liegt nicht auf Sanktionen", sagte Kommissionssprecher Mark Gray.

Die Sicherheitsklauseln in den Beitrittsverträgen seien Ende 2009 ungenutzt ausgelaufen. Ein Ausschluss der mangelhaften rumänischen und bulgarischen Justizbehörden aus den EU-Strukturen ist daher nicht mehr möglich. Und Fördermittel könnten nur dann eingefroren werden, wenn ein konkret nachweisbares Problem mit einer bestimmten Budgetlinie besteht.

Vor zwei Jahren hatte es noch so einen Weckruf an die beiden EU-Mitglieder gegeben. Doch selbst die vorübergehende Sperre von ein paar hundert Millionen Euro hat offenbar wenig bewirkt. Jetzt schreibt die Kommission Bukarest und Sofia nur noch ins Merkheft, dass es nächstes Jahr wieder einen Fortschrittsbericht geben wird.