Zum Hauptinhalt springen

Rumänien hält an Sparkurs fest

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Währungsfonds und EU stellen Bukarest ein positives Zeugnis aus.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Bukarest/Brüssel. Beinahe ein Dutzend Misstrauensvoten im Parlament hatte er überstanden; er war mit wochenlangen Straßenprotesten und einem Boykott durch oppositionelle Abgeordnete konfrontiert. Nun zog der rumänische Ministerpräsident Emil Boc die Konsequenzen und gab den Rücktritt seiner Mitte-Rechts-Regierung bekannt. Er wolle die politische und soziale Situation im Land entschärfen und Rumäniens wirtschaftliche Stabilität nicht gefährden, erklärte Boc.

So ist eines der jüngsten EU-Mitglieder ein weiterer Staat, dessen Regierung über ein Sparpaket gestolpert ist. Rumäniens Staatspräsident Traian Basescu ernannte zunächst den bisherigen Justizminister Catalin Predoiu zum interimistischen Premier. Obwohl Predoiu als Parteiloser agiert, ist der ehemalige Anwalt ein lang gedienter Minister und hat auch schon mehrere Regierungsumbildungen überstanden, von denen es im Kabinett Bocs in den vergangenen drei Jahren etliche gab. Noch am Abend war in der Person von Mihai Razvan Ungureanu ein neuer Regierungschef gefunden. Der 43-Jährige war von Dezember 2004 bis Februar 2007 Außenminister und danach Chef des außenpolitischen Geheimdienstes. Er ist ebenfalls parteilos. Damit folgt Rumänien den Beispielen Griechenlands und Italiens.

Doch auch der neue Premier wird die Sparmaßnahmen des bisherigen kaum zurücknehmen können. Vor gut einem Jahr hat Bocs Kabinett ein Paket durchgesetzt, das zum Beispiel die Kürzung der Gehälter im öffentlichen Bereich um ein Viertel beinhaltet. Die Mehrwertsteuer wurde von 19 auf 24 Prozent erhöht. Eine 15-prozentige Reduzierung aller Pensionen hat zwar der Verfassungsgerichtshof blockiert, dafür soll das Antrittsalter auf 65 Jahre heraufgesetzt werden.

Anschwellende Proteste

Der Unmut der Bevölkerung über diese Reformen schwoll im Laufe der vergangenen Monate an; etliche Berufsgruppen demonstrierten gegen die Maßnahmen, und seit Wochen reißen auch die fast täglichen Straßenproteste in mehreren Städten des Landes nicht ab. Die Opposition forderte - zuletzt verbunden mit der Ankündigung eines parlamentarischen Streiks - den Rücktritt der Regierung. Sie will Neuwahlen schon vor dem geplanten Termin im Spätherbst. Von einem vorgezogenen Urnengang könnte sie profitieren: Laut Umfragen würde derzeit die Hälfte der Rumänen die oppositionellen Sozialdemokraten wählen, während die Regierungsparteien nur ein Fünftel der Stimmen bekämen.

Dabei war der rumänischen Regierung kaum etwas anderes übrig geblieben als die drakonischen Sparprogramme, wollte sie doch internationale Finanzhilfe in Anspruch nehmen, nachdem die Wirtschaft des Landes um 7 Prozent geschrumpft war. Sowohl der Internationale Währungsfonds (IWF) als auch die Europäische Union stellten aber Bedingungen dafür. Bukarest verpflichtete sich, die Voraussetzungen zu erfüllen und erhielt 2009 Zusagen von IWF, EU und Weltbank für einen 20-Milliarden-Euro-Kredit.

Wirtschaft wächst wieder

In ihrem jüngsten Zwischenbericht stellen die Geldgeber den rumänischen Behörden denn auch ein in weiten Teilen positives Zeugnis aus. Etliche Auflagen des IWF seien Ende des Vorjahres erfüllt worden; die Inflation sei zurückgegangen, durch die finanzpolitische Konsolidierung habe das Land seine Kreditwürdigkeit verbessert. Und was IWF sowie EU lobend erwähnten, betonte auch Boc in seiner Rücktrittsrede: Nach zwei Jahren der Rezession wuchs die rumänische Wirtschaft im Vorjahr um 2,5 Prozent. Für heuer wird das Wachstum auf bis zu 2 Prozent geschätzt, das Budgetdefizit soll 4 Prozent des BIP nur wenig überschreiten. Und laut der Statistikbehörde Eurostat konnte Rumänien auch seine Staatsschulden verringern.

Allerdings könnte das Land noch viel mehr auf Hilfsfonds der Union zurückgreifen. Die EU-Finanzierungen hat Rumänien bisher nicht einmal zu 4 Prozent ausgenutzt.

Dennoch sei Bukarest mit den Reformen zur Stärkung des Wachstums und der finanziellen Stabilität auf dem richtigen Weg, erklärten die Inspektoren des IWF in Brüssel - just am selben Tag, als Premier Boc sein Amt niederlegte. Eine Richtungsänderung durch den Regierungswechsel erwarten die Prüfer nicht. Auch die EU-Kommission zeigte sich durch den Rücktritt nicht besorgt. Dieser sei sowieso absehbar gewesen, hieß es aus der Brüsseler Behörde.