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In Rumänien tobt derzeit ein Machtkampf, der mit dem Sturz der Regierung unter dem Liberaldemokraten Emil Boc einen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat. Unmittelbare Ursache für die politischen Turbulenzen, die direkt in eine veritable Regierungskrise mündeten, ist ein erbittert geführter Kampf um das Präsidentenamt.
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Am 22. November soll ein neues Staatsoberhaupt gewählt werden, es stehen einander der amtierende Präsident Traian Basescu, der den Liberaldemokraten zuzurechnen ist, und Mircea Geoana, Vorsitzender der Sozialisten, gegenüber. Beide Parteien waren bis vor kurzem in einer Koalition vereint, doch wuchsen kurz vor der Wahl die Spannungen, bis das Bündnis am 1. Oktober zerbrach.
Das Amt des Präsidenten ist in Rumänien ein bedeutsames. Basescu jedenfalls gab sich nie mit einer zeremoniellen Rolle zufrieden, er trieb etwa die vorherige, von den mittlerweile in Opposition befindlichen Nationalliberalen geführte Regierung aus dem Amt.
Unmittelbarer Grund für das jüngste Platzen der Koalition war die Entlassung des sozialdemokratischen Innenministers Dan Nica. Daraufhin nahmen alle sozialdemokratischen Minister ihren Hut, die Partei verließ die Koalition, das Kabinett von Premier Emil Boc, der als "Kofferträger Basescus" gilt, wurde im Parlament nur noch von einer Minderheit unterstützt.
Brisant ist der Grund, warum Nica gehen musste: Der Innenminister, dem die Durchführung der Wahlen am 22. November obliegt, hatte behauptet, dass der amtierende Präsident einen groß angelegten Wahlbetrug plane. Für den Wahltag seien im ganzen Land keine Mietbusse mehr zu haben, was auf "Wahltourismus" hindeute. Damit sind mehrfache Stimmenabgaben gemeint, bei denen die Parteien Busreisen von einem Wahllokal zum anderen organisieren. Für schlechte Optik sorgt zudem der Umstand, dass nach Nicas Abgang Vasile Blaga, der als Wahlkampfchef Basescus vorgesehen ist, das Innenressort übernommen hat.
Der Machtkampf zwischen Liberaldemokraten und Sozialdemokraten fußt dabei keineswegs auf ideologischen Differenzen. Die Parteien haben nämlich mehr gemeinsam, als ihnen lieb ist. Beide Fraktionen sind Sprösslinge der nach der blutigen Revolution im Jahr 1989 gegründeten postkommunistischen Sammelbewegung "Front zur nationalen Rettung".
In den Nachwendejahren änderten beide Parteien mehrmals den Namen und wurden in die Sozialistische Internationale aufgenommen. Emil Boc leitete 2005 bei den Liberaldemokraten einen spektakulären Kurswechsel nach Rechts ein, jetzt ist seine Partei Mitglied bei der konservativen Europäischen Volkspartei.
Wie dominant die Rolle des Präsidenten in Rumänien tatsächlich ist, wurde ein weiteres Mal am Donnerstag klar. Eine parlamentarische Mehrheit hatte sich bereits darauf geeinigt, den Rumänien-Deutschen Klaus Johannis zum Nachfolger Bocs zu wählen. Basescu lehnte dies jedoch ab und bestellte den Finanzexperten Lucian Croitoru zum neuen Regierungschef. Der muss sich aber spätestens in zehn Tagen einer Abstimmung im Parlament stellen, wo man ihn sicher nicht bestätigen wird. Das scheint Basescu allerdings nicht weiter zu stören, für ihn ist Croitoru der neue Premierminister.
Die politischen Turbulenzen treffen das EU-Land Rumänien in einer Zeit großer wirtschaftlicher Not. Rumänien ist beim Internationalen Währungsfonds (IWF) hoch verschuldet und muss schmerzhafte Sparpakete schnüren. Der IWF verlangt radikale Sparmaßnahmen im öffentlichen Bereich, zuletzt wurden von der Regierung Einsparungen bei den Beamtengehältern vorgenommen, was zu Massenprotesten führte. Croitoru wurde von Basescu auch deshalb ausgewählt, weil er "die Sprache des IWF" spreche. Immerhin ist Bukarest auf weitere Kredite angewiesen.