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Proteste wegen massiver Lohn- und Pensionskürzung. | Bukarest. Maria Marinescu ist wütend. Die 68-Jährige hat 36 Jahre lang in der Textilindustrie gearbeitet. Heute hat sie eine Pension von 680 Leu (170 Euro). Nun werden es noch weniger: Sämtliche Altersbezüge sollen zum 1. Juni gekürzt werden. "Ich schäme mich für Rumänien", sagt sie. "Die Politiker machen gute Gesetze nur für Reiche."
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Maria Marinescu ist nur eine von Tausenden, die gegen die Kürzung der Pensionen sowie der Löhne von Staatsangestellten protestieren. Die Regierung von Traian Basescu und Ministerpräsident Emil Boc hat angeordnet, die Pensionen um 15 und die Löhne um 25 Prozent zu kürzen. Die Maßnahme ist zunächst auf ein halbes Jahr beschränkt. Bis 2015 sollen zudem 325.000 der 1,4 Millionen Staatsangestellten entlassen werden.
Unter 200 Euro monatlich
Viele Rumänen stört es, dass die Altersbezüge gleichmäßig gekürzt werden - egal, ob sie mehr als 1200 Euro oder das Minimum von 85 Euro ausmachen. Von sechs Millionen rumänischen Rentnern, fast ein Drittel der Bevölkerung, erhalten 80 Prozent weniger als 200 Euro pro Monat.
Die Regierung hat auf eine Anhebung der Mehrwertsteuer und der Einheitssteuer auf Einkommen verzichtet. Für viele reiche Rumänen ist der Steuersatz allerdings unerheblich: Sie hinterziehen einen guten Teil ihrer Einnahmen.
Die Maßnahmen sind das Ergebnis von Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Der IWF zeigte sich verärgert darüber, dass die rumänische Regierung die vereinbarten Sanierungsmaßnahmen nur zögerlich umgesetzt hat. Das Sanierungsprogramm ist die Bedingung für ein im Vorjahr genehmigtes 20 Milliarden Euro schweres Hilfspaket von IWF und EU für Rumänien, um das im Jahr 2007 zur EU beigetretene Land vor dem Staatsbankrott zu bewahren.
Der Fonds drohte, die für Juni vorgesehene fünfte Auszahlung in Höhe von 850 Millionen Euro zu blockieren. Bisher wurden 12 Milliarden Euro ausgezahlt. Die Regierung hat sich verpflichtet, das Haushaltsdefizit von 7,2 Prozent im vergangenen Jahr auf 5,9 Prozent zu verringern. Die Sparmaßnahmen haben die Wirtschaft bereits getroffen: 2009 schrumpfte sie um 7,1 Prozent. Für heuer rechnen IWF-Experten mit einer Stagnation oder einem leichten Minus, berichteten rumänische Medien.
Am Freitag wurde den fünften Tag in Folge demonstriert - dabei haben die Proteste erst begonnen. Für nächsten Mittwoch haben mehrere Gewerkschaften zu einer nationalen Manifestation in Bukarest aufgerufen. Die Lehrer wollen ab Ende des Monats die Arbeit ruhen lassen.
Wenn alle Proteste nichts helfen, dann bleibt Auswandern als letzter Ausweg. "Wenn ich könnte, dann würde ich nach Deutschland, Frankreich, in die Schweiz oder USA auswandern", sagt Radu Antonescu. Der pensionierte Literaturlehrer ist mit 73 zu alt dazu. Jüngere Rumänen werden es tun, wenn sich die Lage nicht bessert.