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Rundumschlag mit der Chemie-Keule

Von Bernhard Baumgartner

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Der Zucker steht schlecht da. Er ist ungesund, macht Löcher in die Zähne - und vor allem geht man davon auf wie eine Wachtel. Das alles hat dem Image des kristallenen Buhmanns in den letzten Jahren erheblich geschadet. Kein Wunder, dass Menschen, die Zucker einsparen wollen, gerne zu Süßstoffen greifen. Doch manche wollen diesen Vormarsch stoppen. Nämlich jene, die vom Zuckerumsatz leben. Sie ersinnen Kampagnen, die den Menschen vom Irrweg zum wahren Glauben zurückführen wollen. Dabei greifen sie zu Mitteln, die jedoch eher fragwürdig sind. Denn die jüngste Zucker-Kampagne schwingt munter die Chemie-Keule. Sie fragt etwa, ob man "Lust auf Stevia-Glykoside E930" hat. Klingt gefährlich nach Glycol und eine dieser spooky E-Nummern (EU!) hat es auch! Das kann also nur tödlich sein. Und erst Cyclohexylsulfamin, wie auf einem anderen Plakat gefragt. Wer isst so was freiwillig? Dass Ersteres, Stevia genannt, genauso ein Pflanzenextrakt wie Zucker ist, sagt man halt nicht dazu, das würde den ganzen Effekt stören. Und Zweiteres, seit Jahrzehnten im Süßstoff Kandisin enthalten, klingt chemisch benannt auch plötzlich gar furchtbar böse.

Ein echter Etikettenschwindel also - kaum nennt man etwas chemisch, klingt es auch chemisch, und das kann, so wird dem Volksmund suggeriert, ja nichts Gutes sein. An sich eine gute Idee - ein bisschen Manipulation wird ja noch statthaft sein. Aber wenn, dann für alle: Also, wenn Sie das nächste Mal zu einem Stück Würfelzucker greifen, fragen Sie sich, ob Sie dieses Stück 1-Alpha-D-Glucopyranosyl-2-ß-D-fructofuranosid wirklich wollen. Mahlzeit!