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Russen im Kaufrausch

Von Jan Richard

Politik

Zwölf Jahre nach dem Zusammenbruch der UdSSR will Russland wieder die Kontrolle über den postsowjetischen Wirtschaftsraum gewinnen. In bester kapitalistischer Manier werden Übernahmeschlachten geschlagen, Firmen en masse aufgekauft, wird auf strategische Infrastruktur zugegriffen. Dabei geht es nicht nur um ökonomische Expansion, sondern auch um politischen Einfluss. Bei den ebenfalls intensiv betriebenen Akquisitionen in den Vereinigten Staaten geht es aber vornehmlich um Prestige und Marktöffnung.


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Im Jahr 1991 zerbrach die Sowjetunion in 15 selbständige Republiken. Wenig später jedoch bildeten diese Staaten, mit Ausnahme der drei baltischen Länder, die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) und blieben - in unterschiedlichem Ausmaß - im politischen und wirtschaftlichen Einflussbereich Russlands. Die großen russischen Konzerne, privatisierte wie staatliche, haben seither beständig Druck ausgeübt, um ihre Präsenz in den Ländern der GUS zu erweitern. Dieser Prozess scheint dieses Jahr einem neuen Höhepunkt zuzustreben.

Die russischen Unternehmen konnten dabei nicht nur eine Menge großer Geschäfte abwickeln, sondern noch etwas viel Wichtigeres erreichen - die Kontrolle über die Infrastruktur der angrenzenden Staaten. Dies hat nicht nur wirtschaftliche Hintergründe. Wenn russische Unternehmen - viele davon staatsnahe Monopole - Schlüsselsektoren wie Energie und Telekommunikation in diesen Ländern besitzen, entstehen auch politische Abhängigkeiten und Einflussmöglichkeiten.

Man kann davon ausgehen, dass diese Strategie von der politischen Führung Russlands gutgeheißen, ja sogar teilweise unterstützt wird. Gerade die in letzter Zeit stetig an Einfluss gewinnenden alten KGB-Seilschaften haben den Zusammenbruch "ihres" Imperiums nie verwunden. Nun bietet sich die Gelegenheit, über wirtschaftliche Einflussnahme wieder Kontrolle über die Nachbarstaaten zu gewinnen.

Kontrolle über die Exporte und Importe von Energie

In Georgien konnte die russische Elektrizitäts-Holding UES die Kontrolle über einen großen Teil des Strommarktes gewinnen. Es gibt Indizien dafür, dass der Konzern vorhat, auch Unternehmensanteile an den Elektrizitätsversorgern in der Ukraine, Kasachstan und anderen früheren Sowjetrepubliken zu kaufen. Anatoli Tschubais, der Vorstandsvorsitzende von UES, kündigte an, dass - nach dem Eintritt in den georgischen Markt - der Konzern nun ähnliche Schritte in anderen Ländern der GUS beabsichtigt. Neben umfangreichen Akquisitionen in der GUS gibt es auch weiterreichende Pläne, die Lettland, Litauen, Bulgarien und die Slowakei umfassen. In Weißrussland, wo der russische Anteil am Strommarkt bereits 30 Prozent beträgt, prüft das russische Unternehmen die Möglichkeit, ein weiteres Kraftwerk zu mieten.

Die UES Holding will auch an der Privatisierung der regionalen Elektrizitätsunternehmen in der Ukraine teilnehmen, obwohl es politischen Widerstand dagegen gibt. Längerfristig will Tschubais sein Imperium, nach eigenen Worten, über Westeuropa "bis hin nach Portugal" ausdehnen.

Obwohl eine Elektrizitäts-Holding, lässt der russische Riese auch keine Gelegenheit aus, sich auch andere Energiesektoren "unter den Nagel zu reißen", was geht:

In Armenien strebt die UES ein langfristiges Mietabkommen für die internationale Pipeline an, die Armenien mit der Türkei, Georgien und dem Iran verbindet. Das Unternehmen will auch bei der Privatisierung des moldawischen Energieversorgers mitmischen, der auch Strom an Rumänien und Bulgarien liefert.

In Tadschikistan prüft man die Möglichkeit sich am Bau eines Kraftwerks zu beteiligen, um Stromlieferungen von Tadschikistan und Kirgisien nach Russland - über Usbekistan und Kasachstan - sicherzustellen.

Experten sind davon überzeugt, dass die Erlangung der Kontrolle über die Exporte und Importe von Energieressourcen nur der erste Schritt zur völligen Übernahme der Energieunternehmen in diesen Staaten sind, womit dann auf einem entscheidenden Teil der wirtschaftlichen Infrastruktur der Kreml seine Hand hat - mit vielleicht unabsehbaren und schwerwiegenden Folgen.

Mobilfunk von Weißrussland bis Zentralasien

Es ist sicher kein Zufall, dass russische Unternehmen sich auch einer anderen, lebenswichtigen Infrastruktur bemächtigen wollen, der Telekommunikation, ohne die heute nichts mehr läuft. Der ukrainische Mobilfunkmarkt wird mehrheitlich von russischen Unternehmen - MTS and VimpelKom - kontrolliert. MTS will auch die Kontrolle über den weißrussischen Mobilfunkmarkt erlangen. Es ist die selbsterklärte Strategie des Unternehmens, der führende GSM-Anbieter im gesamten postsowjetischen Raum zu werden. Auch die russische Ingosstrakh ist auf Einkaufstour.

Anteile an Unternehmen in den Bereichen Öl und Gastransport, Raffinerie und Marketing in der Ukraine und Weißrussland sind sehr interessant für russische Unternehmen, sowohl aus ökonomischen Überlegungen als auch auf Grund des Wunsches, die Nachbarstaaten über ihre Energiesektoren kontrollieren zu können. Die russische Tatneft hat vor Gericht einen Sieg über den ukrainischen Staatseigentumsfonds errungen und damit seine Kontrolle über die größte Ölraffinerie der Republik konsolidieren können.

80 Prozent der ukrainischen Ölverarbeitungsindustrie gehören bereits russischen Unternehmen, bei Nichteisenmetallen sind es 60 Prozent. Dabei ist wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Ukraine und Russland sehr einseitig: Russland verhängte jüngst Importbeschränkungen für fast 150 ukrainische Güter.

Im Bereich Erdgas wehrt sich die Ukraine noch, die Kontrolle über ihre (meist staatlich betriebenen) Pipelines abzugeben. Es existiert zwar seit letztem Jahr ein Abkommen mit der russischen Gazprom und der deutschen Ruhrgas über die Bildung eines multinationalen Konsortiums. Dieses wurde jedoch bis jetzt nicht umgesetzt. Die ukrainischen Politiker wissen um die strategische Bedeutung, die das ukrainische Pipelinenetz sowohl für den Gasverkäufer Russland als auch seine Konsumenten im Westen hat. Sie haben daher keine Eile, die Kontrolle abzugeben und stellen immer neue Forderungen. Ob sie dem russischen Druck standhalten können, ziehen die Experten immer mehr in Zweifel.

Im Visier ist auch die Transport-Infrastruktur

Russische Unternehmen dringen auch in die Transportsysteme der Nachbarländer ein, sie haben beispielsweise die Kontrolle über den Export aller Arten von Energie aus Turkmenistan und Usbekistan erlangt.

Die russischen Unternehmen setzen auf weiteren Erfolg bei der wirtschaftlichen Integration und der Bildung eines angestrebten vereinten Binnenmarktes zwischen Russland und der Ukraine, Weißrussland und Kasachstan. Diese sind nach allgemeiner Einschätzung die für Russland interessantesten Länder. Insbesondere der weißrussische Öl- und Gasmarkt gilt als besonders attraktiv.

Experten gehen davon aus, dass das Interesse russischer Unternehmen am GUS-Raum weiter steigen wird. Abgesehen von den politischen Folgewirkungen macht es auch ökonomisch Sinn: In vielen Bereichen ist innerhalb Russlands kein hohes Wachstum mehr möglich, sehr wohl aber in den Nachbarländern.

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Georgien und ....

Georgien, nach der erfolgreichen "Rosenrevolution" noch immer im allgemeinen Interesse der Medien, war eines der Hauptzielländer für Akquisitionen russischer Unternehmen im Jahr 2003. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Moskau bald alle lebenswichtigen Bereiche dieser kleinen Republik kontrollieren wird - Erdgas, Strom und Telekommunikation.

Ende Juli haben der Chef der russischen Gazprom und der georgische Energieminister ein 25-jähriges Abkommen über strategische Kooperationen in der Gasindustrie unterschrieben. Dabei hat Georgien den russischen Unternehmen ein außergewöhnlich großzügiges Geschenk gemacht - nicht nur den georgischen Gasmarkt, sondern im Endeffekt auch die Stromressourcen des Landes.

Das Abkommen gibt dem russischen Monopolisten nicht nur das Recht, den Großhandelsmarkt mit Gas zu beliefern, sondern umfasst auch den Einzelhandel an den Letztverbraucher.

Die russische Stromholding UES ist ebenfalls in den georgischen Energiemarkt eingedrungen. Im August des Vorjahres hat der russische Konzern Anteile an mehreren georgischen Firmen gekauft. Diese repräsentieren 20 Prozent des georgischen Marktes für Stromproduktion und 35 Prozent des Distributionssystems. Der russischen Monopolist hat nun Kontrolle über alle privaten und industriellen Kunden, denen er nun Bedingungen diktieren kann.

....auch USA

Der russische Stahlerzeuger "Severstal" hat über seine ameriakanische Tochter Severstal North America Inc. Anfang Februar dieses Jahres den fünftgrößten Stahlkonzern der USA, nämlich Rouge Industries Inc. und Rouge Steel Company gekauft. Dafür haben die Russen 285.5 Millionen Dollar auf den Tisch geblättert. Dies ist laut dem Generaldirektor Machow "der erste Zug, um erfolgreich auf dem US-Markt auftreten zu können."

Die russische LUKoil hat Endes des Vorjahres 795 Tankstellen im Nordosten der USA gekauft und will heuer weiter massiv in diesem Geschäft expandieren. Um die Lieferwege zu verkürzen und auch um ausreichend Kapazitäten zu haben, hat LUKoil-Boss Wagit Alekperov kürzlich angekündigt, die große Raffinerie im polnischen Hafen Danzig zu kaufen. Auch die Raffinerie der serbischen Beopetrol im serbischen Pantschewo steht auf dem Einkaufszettel von LUKoil.