Moskau - Mit der neuen Erdölpipeline vom Kaspischen zum Schwarzen Meer hat Russland dem von den USA, der Türkei und Aserbaidschan befürworteten Konkurrenz-Projekt Baku-Ceyhan einen Dämpfer verpasst. Durch die vor kurzem eingeweihte knapp 1600 Kilometer lange Leitung sollen jährlich bis zu 67 Mill. Tonnen Erdöl vom kasachischen Vorkommen Tengis im Kaspischen Meer zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk gepumpt werden.
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Russland misst der Röhre große Bedeutung bei. Im Laufe von 35 Betriebsjahren erhofft sich Moskau Einnahmen von mehr als 23 Mrd. Dollar (26,0 Mrd. Euro/358 Mrd. S). Mehr als 160.000 Arbeitsplätze sollen entstehen.
Die USA wollen den Einfluss Russlands in der ölreichen Südregion der ehemaligen Sowjetunion mit dem Bau einer Pipeline zwischen der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku und dem türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan eindämmen. Die Verwirklichung des Baku-Ceyhan-Vorhabens hängt in vieler Hinsicht von Kasachstan ab. Dessen überwiegend noch unerschlossene Vorkommen im Kaspischen Meer zählen zu den größten Ölfeldern der Welt. Die Russen halten in geostrategischer Hinsicht die Trümpfe in der Hand.
Die USA, die Türkei und Aserbaidschan unternehmen alles Mögliche, um Kasachstan zur Beteiligung an ihrem Projekt zu bewegen. Doch mit der Fertigstellung der Leitung Tengis-Noworossijsk hat Kasachstan bereits einen "russischen Schwarzmeer-Spatzen" in der Hand anstelle einer "türkischen Taube auf dem Dach", schrieb die in Moskau erscheinende Zeitung "Nowyje Iswestija".
Betreiber der Leitung Tengis-Noworossijsk, die auf dem Landweg über südrussisches Territorium führt, ist das Kaspische Pipeline- Konsortium (KPK). Russland, Kasachstan und Oman halten gemeinsam eine 50-prozentige Beteiligung. Die andere Hälfte gehört internationalen Ablegern der Ölunternehmen Chevron und Mobil (beide USA), Agip (Italien) und BG Overseas (Großbritannien).
Das erste Erdöl soll Noworossijsk über die 2,6 Mrd. Dollar teuere Leitung Ende Juni erreichen. Dort wird es auf Tanker umgeschlagen und über den Bosporus weiterverschifft. Die USA müssen die Pipeline nach Ansicht russischer Experten akzeptieren, weil US-Ölunternehmen mitinvestiert haben.
Kasachstan ist an möglichst vielen Absatzwegen interessiert, weil im Westen des Landes noch ein weiteres riesiges Erdölvorkommen auf Erschließung wartet. Die förderbaren Vorräte in dem knapp 80 Kilometer langen und 25 Kilometer breiten Kaschagan-Feld werden anhand erster Probebohrungen auf 1,59 Mrd. Tonnen geschätzt.