Reisefreudiger Mittelstand wächst. | Wien. Sie lieben den Luxus, Genuss und die österreichische Gastfreundschaft: Immer mehr Russen machen Urlaub in Österreich. Im Winter ist die Alpenrepublik mit Abstand ihr allerliebstes Urlaubsziel, und im Sommer holen die russischen Gäste gerade deutlich auf.
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Die Übernachtungszahlen sind etwa im Vergleich zu unseren "Stammgästen" aus Deutschland noch niedrig, wachsen jedoch kräftig: Von Mai bis August 2008 kamen doppelt so viele Russen nach Österreich wie im Jahr davor. Die heimische Tourismusbranche zählte in diesem Zeitraum 282.100 Übernachtungen von Gästen aus Russland.
Sonderfaktor EM
Das heurige Jahr hat freilich durch die Fußball-Europameisterschaft Sonderstatus, doch auch ohne derartige Großereignisse wächst die Zahl der Ankünfte aus Russland seit längerer Zeit im Schnitt um 20 Prozent jährlich, weiß Gerald Böhm, Kundenbetreuer der Österreich Werbung (ÖW) in Moskau. Die ÖW baut nicht nur auf die Euro als Werbung für Sommerurlaub in Österreich. Böhm versucht gerade mit gezielter Online-Werbung, jenen Russen den Sommer in den heimischen Alpen schmackhaft zu machen, die bisher nur zum Skifahren gekommen sind.
Nur jeder Zehnte reist
Dabei ist seine Zielgruppe noch recht überschaubar: Derzeit können sich nur rund 10 Prozent der Russen Reisen ins Ausland leisten. Das entspricht in absoluten Zahlen etwa 15 Millionen Menschen.
Die meisten Gäste kommen aus Moskau und Sankt Petersburg, doch Millionen-Städte wie Jekaterinenburg, Kaliningrad oder Krasnodar, in denen der Wohlstand - und damit die Mittelschicht - wächst, sorgen für die kräftig steigenden Gästezahlen, erzählt Böhm im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Wenn ein Russe sich das erste Mal einen Auslandsurlaub leistet, dann stünden Destinationen in der Türkei und in Ägypten ganz oben auf der Wunschliste. Denn in diese Länder gelange man aus Russland visumsfrei, so Böhm. Danach folgen Kroatien und Spanien.
Dass die Russen so gerne zu uns kommen, liegt laut Böhm daran, "dass sie die Österreicher als professionelle Gastgeber einstufen". Russen schätzen in erster Linie den Qualitätsanspruch im heimischen Fremdenverkehr, meint der ÖW-Experte.
Und das lässt sich diese Gästegruppe bekanntlich einiges kosten: Laut einer Erhebung der Österreichischen Hoteliervereinigung geben Russen im Österreich-Urlaub im Schnitt 471 Euro pro Einkauf aus, nur Gäste aus der Ukraine lassen mit 969 Euro deutlich mehr springen. Generell geben Urlauber aus Osteuropa doppelt so viel aus wie Gäste aus dem Westen.
Auch bei der Unterbringung wird nicht aufs Geld geschaut: Laut ÖW residieren knapp 60 Prozent der russischen Gäste in Vier- oder Fünf-Stern-Hotels, weitere 21 Prozent wählen Dreistern-Häuser. "Die Russen wollen in erster Linie prestigeträchtig reisen", weiß Böhm. Das Image der Russen als Partytiger, die häufig und heftig dem Alkohol zusprechen, will Böhm nicht nachvollziehen können. Oft sei bei den Hoteliers die Überraschung groß, dass Russen ganz "unspektakulär" seien. "In Wirklichkeit ist heute ein russischer Gast fast ein Gast wie jeder andere".