Putin-Gegner Nikolai Kobliakow bangt nach Verhaftung in Sofia um Auslieferung an Moskau.
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Aufregung zwischen Frankreich und Russland gibt es derzeit nicht nur ob der Lieferung beziehungsweise Nicht-Lieferung von Hubschrauberträgern. Nikolai Kobliakow, russisch-französischer Doppelstaatsbürger, sitzt in Bulgarien fest. Er wurde am 29. Juli aus Paris kommend am Flughafen Sofia aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen. Dem 44-Jährigen wird Betrug angelastet, den er von Dezember 2004 bis Dezember 2005 begangen haben soll. Er bestreitet den Vorwurf, den er als eine Mischung aus Halbwahrheiten und Erfindung qualifiziert. Doch seine Anwältin, die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und er selbst sind ohnedies überzeugt, dass es den russischen Behörden um etwas ganz anderes geht. Kobliakow ist nämlich ein prominenter Gegner von Präsident Wladimir Putin.
Kobliakow lebt seit 2002 in Frankreich. Dort war der Mann, der sich als "Sozialunternehmer" sieht, zuerst ab 2004 Generaldirektor der Beraterfirma Opiconseil und dann 2010 der Mitbegründer des Unternehmens Senior Group, das sich dem Aufbau von Seniorenheimen in Osteuropa und Russland widmet. Dies in enger Zusammenarbeit mit dem damaligen russischen Präsidenten, Dmitri Medwedew, wie Kobliakow erklärt. Gibt man heute die Adresse Opiconseil.com ein, wird man zur Senior Group Russland weitergeleitet. 2012 wurde Kobliakow politisch aktiv und war einer der Mitbegründer der Organisation Russie-Libertés, die regelmäßig Demonstrationen gegen Putin organisiert (zumal während dessen Besuch in Frankreich) und autoritäre Zustände in Russland anprangert. Erst danach entdeckte die russische Justiz offenbar, dass Kobliakow im Jahr 2005 betrogen haben soll. Die konkreten Vorwürfe sind sogar für seine Anwältin, Biliana Kotsakowa, nur schwer zu verstehen. "Kobliakow ist gar nicht persönlich angeklagt", erklärt sie. Vielmehr soll er daran beteiligt gewesen sein, dass ein Betrag von 1,2 Millionen Euro ungerechtfertigt von der Filiale in Russland zur Filiale in Frankreich transferiert worden sein soll. Was Kobliakow zufolge gar nicht stimmt. Komisch ist für Kotsakowa auch, dass der Haftbefehl vom russischen Gericht im Februar 2013 erlassen wurde und die sogenannte Rote-Notiz laut Unterlagen am 1. April 2014 an Interpol geschickt wurde. Nach diesem Datum konnte sich Kobliakow nicht nur einen neuen französischen Reisepass ausstellen lassen, sondern auch sechs Mal unbehelligt die Grenze zu anderen Ländern überschreiten, darunter Großbritannien und Lettland. "Das hätte doch auffallen müssen." Erst im traditionell russlandfreundlichen Bulgarien wurde er verhaftet. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, die französischen Behörden in dem Fall direkt zu kontaktieren, zumal bekannt ist, dass Kobliakow sich in seiner Wahlheimat aufhält und es zwischen Frankreich und Russland ein Auslieferungsabkommen gibt. Nach seiner Verhaftung entschied das Gericht in Sofia am Montag, Kobliakow aus dem Gefängnis zu entlassen und unter Hausarrest zu stellen. Nächste Woche wird dann über seine Auslieferung entschieden. Aufgrund seiner russischen Staatsbürgerschaft hat Kobliakow inzwischen in Bulgarien einen Asylantrag gestellt. Denn was ihn im Falle einer Auslieferung erwarten würde, kann man sich leicht ausrechnen.