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Russischer Raketenklau

Von WZ-Korrespondent Axel Eichholz

Politik

Schwunghafter Handel mit als Schrott deklarierten Raketenteilen. | Lieferung in Nachbarländer, nach Asien und Afrika. | Moskau. Der russischen Zollbehörde ist es offenbar gemeinsam mit dem militärischen Abschirmdienst gelungen, eine weit verzweigte Organisation illegaler Waffenexporteure auszuheben.


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Diese sollen im Laufe von mindestens zwei Jahren Teile für Luftabwehrraketen der Typen S75, S125, S200 und S300 nach Weißrussland, in die Ukraine, nach Bulgarien und Kasachstan über die Grenze geschmuggelt haben, von wo aus sie nach Afrika und Asien gelangten. Bürger dieser Länder sowie pensionierte und aktive Offiziere der bei Sankt Petersburg stationierten 6. Armee der russischen Luftwaffe und Raketenabwehr sollen in die Affäre verwickelt sein.

Kriminelle Geschäfte wurden über eine staatliche Firma zur Verwertung von ausrangiertem Militärgerät abgewickelt, heißt es. Bei deren Mitarbeitern handelte es sich mehrheitlich um frühere Armeeangehörige, die über umfangreiche Kontakte bei der Luftwaffe verfügten. Anscheinend erhielten die Schmuggler Aufträge von auswärts und leiteten sie an Komplizen bei der Truppe weiter. Daraufhin erhielten sie aus Armeedepots neue Teile, die in den Begleitpapieren als Schrott ausgewiesen worden sind.

Die Schmuggler seien auf frischer Tat ertappt worden, berichten die Medien. Ein mit Raketenteilen beladener Geländewagen vom Typ Hyundai Santa Fe wurde vor rund einer Woche an der Grenzkontrollstelle Sebesch im Gebiet Pskow angehalten, nachdem der Fahrer eine Zollerklärung ausgefüllt hatte, in der die Art der Ladung verschwiegen wurde. Gleichzeitig fanden russische Zöllner an der ukrainischen Grenze Teile für eine Radarstation im Geheimfach eines Linienbusses auf der Strecke von Rostow am Don nach Saporischje.

Von Einfachraketen bis zu Abwehranlagen

Wie die Tageszeitung "Kommersant" berichtete, wurden insgesamt 65 verschiedene Teile und Baugruppen der Raketenkomplexe beschlagnahmt, von denen 40 der Geheimhaltung unterlagen. Während es sich bei den Typen S75 und S125 um relativ alte Systeme aus den 1950er und 1960er Jahren handelt, gehören fahrbare S300-Komplexe immer noch zur Bewaffnung der russischen Armee. Sie seien mit dem bekannten westlichen Patriot-System vergleichbar, heißt es. Darin kommen dieselben Raketen zur Verwendung wie im supermodernen S400-

Komplex, der als weltweit unübertroffen gilt.

Bei kleineren Luftabwehrkomplexen besteht der Verdacht, dass sich aus einzeln gelieferten Baugruppen später komplette Raketenanlagen zusammenbauen ließen. Bei Haussuchungen in Garagen und Wohnungen der Schmuggler seien gut 20 Tonnen gestohlene Raketenteile sichergestellt worden, melden die Zeitungen.

Namen der festgenommenen Schmuggler und ihrer Abnehmer sowie weitere Einzelheiten der Affäre wurden nicht mitgeteilt. Die Pressestelle der russischen Luftwaffe verweigerte auf telefonische Anfrage jeden Kommentar dazu. Offiziell sei dort nichts bekannt, hieß es.