Barroso rügt Kiew und Moskau scharf. | Kernproblem bleibt ungelöst. | Brüssel. Nach zahlreichen Verzögerungen war es gestern, Dienstag, endlich fix: Das Gas aus Russland strömt wieder via Ukraine in die EU. Spätestens in der Nacht auf heute, Mittwoch, rechneten die Experten der EU-Kommission mit der Wiederherstellung der Lieferungen in vollem Umfang.
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Neben der Erleichterung über das vorläufige Ende der Krise lässt der zweiwöchige Lieferstopp aber auch einen schalen Nachgeschmack zurück. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso rügte das Vorgehen Moskaus und Kiews bei den Verhandlungen scharf. Experten erläuterten, warum dasselbe Versorgungsproblem wie heuer trotz des neuen 10-Jahres-Vertrags zwischen Russland und der Ukraine schon Anfang 2010 eine Neuauflage erleben könnte.
Er sei zutiefst enttäuscht über die Art der Verhandlungsführung der Regierungen in Moskau und Kiew, sagte Barroso. Er habe früher auch in Afrika (etwa für die UNO) verhandelt - noch nie habe er aber erlebt, dass getroffene Vereinbarungen so systematisch nicht eingehalten worden seien. Es habe "einen kompletten Widerspruch zwischen Aussagen und Realität" gegeben, empörte sich der Kommissionpräsident - "unglaublich" sei das. Umso wichtiger sei, künftig nicht nur von jeweils einem Energielieferanten und -transitland abhängig zu sein.
Unter der Hand wird längst eingeräumt, dass der neue Gasvertrag keineswegs wasserdicht ist. Knackpunkt bleibt das sogenannte technische Gas, das benötigt wird, um den Leitungsdruck für den Transit der Lieferungen in die EU aufrecht zu erhalten. So soll die Ukraine 2009 für die dafür notwendigen rund 21 Millionen Kubikmeter pro Tag aufkommen. Dafür erhält sie von Gazprom 20 Prozent Rabatt auf den EU-Preis von 450 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter - macht rund 360 Dollar. Bisher hatte sie für den Eigenbedarf nur knapp 180 Dollar löhnen müssen.
Der Transitpreis bleibt bis Ende des Jahres bei 1,7 Dollar pro 1000 Kubikmeter und 100 Kilometer. Abzüglich der Kosten für das technische Gas zahle sich die Durchleitung für die ukrainische Naftogaz kaum mehr aus, sagte ein Experte der EU-Kommission. Greift ab 2010 der volle Gaspreis, müsste Kiew den Transit des russischen Gases sogar subventionieren.
Daher soll der Transitpreis nächstes Jahr gemäß einer "allgemein akzeptierten europäischen Formel auf Basis des Marktes" festgelegt werden. Was das genau bedeutet, ist den Brüsseler Experten nicht klar. Üblicherweise trage in der EU aber der Lieferant die Kosten für das Brenngas. Das heißt, Gazprom müsste zahlen.