Mit Chemikalien verunreinigte Lebensmittel gefährden das menschliche Wohl.
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Im Frühling Spinat und Spargel, im Sommer Erdbeeren und Äpfel. Im Herbst Kürbisse und Karotten, im Winter nichts. So sah der Erntekalender zu Großmutters Zeiten aus. Heute lässt sich Obst und Gemüse praktisch zu jeder Jahreszeit genießen. Lebensmittel aller Art werden aus der ganzen Welt über Häfen und Flughäfen wie Rotterdam, Frankfurt oder Wien-Schwechat nach Europa importiert.
Dass diese Vorzüge aber auch Nachteile haben können, verdeutlichen Meldungen des Europäischen Schnellwarnsystems (RASFF). Die EU-Staaten können über diese Plattform Informationen austauschen, wenn sie in Lebensmittelimporten zu hohe Anteile an giftigen Chemikalien oder Verunreinigungen und somit Risiken für die Gesundheit feststellen. Auf dem Meldebericht steht China mit über 540 Beschwerden über schädliche Lebensmittelimporte (2012) auf Platz eins. Aus Österreich kamen immerhin 14 Warnmeldungen. Erst kürzlich rief die Supermarktkette Hofer ein Mozzarella-Produkt zurück, da in Proben Keime gefunden wurden. Die Sicherheitskontrollen werden in Österreich von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) stichprobenartig durchgeführt. "Eine nur geringfügige Überschreitung eines Höchstwerts deutet allerdings nicht automatisch auf eine Gesundheitsgefahr hin", beruhigt Werner Windhager von der Ages.
Gefährliche Importe
Nach Angaben des Statistischen Zentralbüros in Peking setzt China jährlich etwa sieben Mal mehr Pestizide ein als ganz Europa. 27.000 Arten von chemischen Pflanzenschutzmitteln, die ihren Weg auch in die Nahrungskette finden, sind im Reich der Mitte zugelassen. 2008 kamen sechs Kinder in China nach dem Verzehr von Baby-Milch ums Leben und 300.000 weitere erkrankten an Nierenfunktionsstörungen. Der Milch war die im Kleber verwendete Chemikalie Melamin beigemischt worden, um einen höheren Proteingehalt vorzutäuschen. In Deutschland und den Niederlanden wurde der Verkauf von importierten Süßwaren wie Keksen aus China gestoppt, da auch sie geringe Mengen an Melamin enthielten. "Europaweit wurden im Zuge des Melamin-Skandals Kontrollen durchgeführt. Von der Ages wurden rund 259 Proben analysiert, wovon allerdings nur fünf Melamin enthielten. Aus diesen geringen Mengen konnte keine Gesundheitsgefährdung abgeleitet werden", sagt Windhager.
Dennoch scheint die Kette der Lebensmittelskandale nicht abzureißen. Etwa hat die Umweltschutzorganisation Global 2000 in spanischen Paprikas, die in fünf österreichischen Supermarktketten angeboten wurden, acht verschiedene Pestizide nachgewiesen. Sechs dieser Stoffe wurden von der World Health Organization (WHO) als hochgiftig eingestuft. In den 40.000 von Global 2000 analysierten Lebensmittelproben war fast jedes zweite europäische Produkt von Pestiziden verunreinigt. Sogar das in der EU nicht zugelassene Biphenyl wurde in Proben nachgewiesen.
Noch tückischer für Konsumenten ist ein Etikettenschwindel: "Zutaten werden oft im Ausland gekauft, in Österreich zu Produkten verarbeitet und die Verpackung mit "Hergestellt in Österreich" beschriftet: Schließlich wird es in Österreich verarbeitet. Bei manchen Produkten kann aber auch nur das Wort ’EU‘ vermerkt sein - eine wenig hilfreiche Angabe.", erklärt Birgitt Beck vom Verein für Konsumenteninformation (VKI): "Rund 150 Gütesiegel sollen dem Konsumenten irgendeine Form von Qualität beweisen. Experten werten das AMA-Gütesiegel als einzige vertrauenswürdige Marke. Es sei ratsam, sich zu überlegen, was einem beim Einkauf wichtig ist, und dann das passende Gütesiegel als Orientierungshilfe zu nutzen."
"Wenn man die Welt genauer betrachtet, lässt sich alles mit Chemie beschreiben, auch die Lebensmittel. Und auch Pestizide sind eine Form von Chemie. Sie müssen nicht unbedingt gesundheitsschädlich sein. Erst, wenn eine gewisse Toleranzschwelle überschritten wird, können Probleme auftreten. Diese Grenze hängt von der Chemikalie ab und davon, wie gut eine Person sie verträgt", erklärt Wolfgang Kneifel, Professor für Lebensmitteltechnolgie an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien.
Risikofaktor Pestizid
Helmut Burtscher, Umweltchemiker bei Global 2000, sieht es kritischer: "Bei einer Überdosis an Giftstoffen sind erhöhte gesundheitliche Risiken nicht auszuschließen", warnt er: "Die WHO bestätigte 2012, dass hormonell wirksame Pestizide durchaus das Hormon- und Nervensystem des Menschen beeinflussen und Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten und Nervenkrankheiten hervorrufen können." Untersuchungen der University of California in Davis beweisen zudem einen Einfluss der eingesetzten Pestizide - auch des vermeintlich harmlosen Glyphosats - auf die Hirnentwicklung der Babys im Mutterleib. Sogar sehr kleine Dosierungen können ein Auslöser für Erkrankungen sein. "Je mehr Gifte zusammenkommen, desto spürbarer sind die Auswirkungen des Chemie-Cocktails", sagt Burtscher.
Nicht nur Lebensmittel-Chemikalien machen krank, sondern auch moderne Essgewohnheiten. Alexander Haslberger und seine Kollegen von der Universität Wien analysieren derzeit Schäden, die eine "westliche Diät im Erbgut verursacht. Auslöser für das Projekt waren erschreckende Meldungen des Nationalen Krebsforschungsinstituts der USA. Demnach erkranken in den Industriestaaten immer mehr Menschen an Krebs. Neben bekannten Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum und mangelnder Bewegung tragen auch eine hohe Quantität und vor allem eine schlechte Qualität der Lebensmittel zur Krankheitsentstehung bei.
"Giftstoffe und Bakterien gelangen über die Lebensmittel über den Darm in den Körper. Durch geringe Entzündungen versucht der Darm, diese abzutöten. Dabei wird reaktiver Sauerstoff (ROS) gebildet. Durch den ständigen Verzehr von zucker- und fetthaltigen Lebensmitteln kommt es dann zu stetigen Entzündungen und es wird vermehrt ROS gebildet. Dieser erschafft eine neue Überlebensnische für weitere Bakterien und schädigt außerdem die Gene und damit die Bausteine der DNA", warnt Alexander Haslberger. Zwar behebe das körpereigene DNA-Reparatur-System die Schäden im Erbgut, die Umwelteinflüsse und die Nahrungsaufnahme täglich verursachen. Eine schlechte Ernährung überfordere jedoch das System. "Folglich kann die DNA dauerhaft geschädigt werden. Das könnte Erkrankungen wie Krebs verursachen."
Heilung durch Nahrung
Auf eine mäßige Quantität und auch gute Qualität der Lebensmittel sei daher besonders zu achten. "Bestimmte Pflanzeninhaltsstoffe - wie etwa das Phytoöstrogen Genistein in der Sojabohne - verhindern durch ihre antioxidative Wirkung die Bildung von ROS und könnten sogar als Medizin wirken. Durch die Ernährung lässt sich so die epigenetische Steuerung beeinflussen", sagt der Forscher. Diese bestimmt, welche Abschnitte der DNA aktiviert und deaktiviert werden und hat somit eine lebenswichtige Funktion.
Trotz dieser möglichen Folgen auf die Gesundheit greifen viele Konsumenten wegen der hohen Lebensmittelpreise zu chemieverseuchten Billigwaren. Nach Angaben der Statistik Austria wurden 1954 noch rund 45 Prozent der Haushaltsausgaben in Lebensmittel investiert. Mit 12 Prozent ist dieser Anteil heute deutlich niedriger. Außerdem werden viele Konsumenten vom Aussehen des Produkts getäuscht. Neben makellosem, groß gewachsenem, chemieverseuchten Obst und Gemüse sieht das kleinere, aber unbelastete aus dem Öko-Anbau nämlich ziemlich blass aus.