Was gaben russische Politiker immer offen zu? Ziel der russischen Politik ist, Russland in den Grenzen der ehemaligen UdSSR wiederherzustellen. Das heißt Gelegenheiten abzuwarten, sich Belarus, Ukraine, Estland, Lettland, Litauen, Georgien etc. wieder einzuverleiben.
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Dazu gehört, geostrategisch gedacht, die Nuklearbewaffnung des Iran, um den Westen und Israel im Mittleren Osten in Schach zu halten. Daher tut Moskau alles, um Teheran freie Hand zu geben und Syrien in den Griff zu bekommen, denn dort läge - für die erwiesene Gunst - ein möglicher Flottenstützpunkt abseits des Schwarzen Meers. Daher blockiert man den UN-Sicherheitsrat, lähmt die ohnmächtige und überflüssige OSZE, die KSE- und Open-Skies-Verträge.
Die EU, als Gefangener russischer Energieimporte, ist kraftloser Vermittler, de facto nur in der Lage, Moskaus Wünsche zur Kenntnis zu nehmen - zu mehr reicht die Politik nicht, auch weil Javier Solana auf dem politischen Parkett auf eine tragisch-komische Figur reduziert wurde. Die EU ist aus Moskaus Sicht eine große NGO, mehr nicht.
Russlands Geopolitik ist klar: Die Aufrüstung Indiens sollte eine Option gegenüber China schaffen, das langfristig die größte Gefahr darstellt. Aber Indien ist für Russland kaum noch kalkulierbar. Georgien ist ein strategischer Testfall: Wie reagieren die USA und Asien? Laut asiatischer Presse sieht sich Russland zunehmender Ablehnung gegenüber, ist daher unter Zeitdruck: Das Window of Opportunity wird sich rasch wieder schließen.
Die "Causa Georgien" wird von Experten seit Jahren beobachtet, man wies Europas Politiker immer wieder auf diese Zeitbombe hin. Nur wollte man sich nicht damit befassen. Moskau provozierte Georgien durch monatelangen Beschuss von Dörfern, verletzte laufend georgischen Luftraum mit Jagdflugzeugen und drosselt, je nach Laune, die Energieversorgung. Die fabrizierte Behauptung, Georgien praktiziere "Völkermord" (an wem?) erinnert an dümmliche Sowjet-Propaganda, aber genau dort liegt ohnedies Moskaus Politik seit dem Amtsantritt Wladimir Putins. Und die sehr rasche militärische Reaktion Moskaus beweist, dass die Pläne für den Gegenschlag längst ausgearbeitet waren.
Österreich ist offiziell zu Georgien bisher nichts eingefallen - was zu erwarten war. Man verschanzt sich hinter UNO und OSZE und ist bestenfalls "besorgt". Das Außenministerium könnte sich im Sinne Georgiens deutlicher äußern, traut sich aber nicht. Leider zeigt man wenig eigenständiges Engagement. Besonders dumm sind auch jene Politiker, die noch immer Weltpolitik und österreichische Sicherheitspolitik vor allem über UNO und EU machen wollen.
Die EU hat einmal mehr ihre Irrelevanz bewiesen. Vielleicht sollte Österreich, aus gegebenem Anlass, wieder zur nationalen Landesverteidigung zurückkehren, statt weiterhin einer budgetpolitisch günstigen, aber sicherheitspolitisch riskanten und letztlich inhaltsleeren "Internationalisierung" das Wort zu reden.
Friedrich Korkisch ist Leiter des Instituts für Außen- und Sicherheitspolitik in Wien.
"Die EU ist aus Moskaus Sicht eine große NGO, mehr nicht."
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