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Russland exportiert wieder mehr Energie

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Zuletzt sind die Gasexporte aus Russland in die EU gestiegen. Mit dem Geld wird auch der Krieg in der Ukraine finanziert.


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Was passiert, wenn Russland den Gashahn zudreht? Mit dieser Frage beschäftigen sich gerade sehr viele EU-Länder. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat deshalb am Montagabend einen Entwurf für ein Energiebevorratungsgesetz im Mai angekündigt. Dieses soll regeln, wie bei einem Lieferstopp von russischem Gas vorgegangen wird. Also in welchen Bereichen zuerst die Energie gedrosselt wird, Mindestanforderungen bei der Befüllung von Gasspeichern und Ähnliches.

Nur, nach einem Lieferstopp sieht es derzeit, trotz der dramatischen Lage in der Ukraine und der Invasion Russlands, nicht aus. Ganz im Gegenteil, in den letzten Tagen wurde sogar mehr russisches Gas nach Österreich und in die EU geliefert, bestätigt der Regulator E-Control. Auch über die Ukraine. Es ist eine Pattsituation: Mit den Energieeinnahmen finanziert Russland auch den Ukraine-Krieg, Europa ist aber zu stark von russischem Gas abhängig, um die Importe zu stoppen.

Lieferkapazitäten erhöht

Laut der Finanzagentur Bloomberg sind die Gaslieferungen von Russland nach Europa in den letzten Tagen um fast ein Viertel gestiegen. Das hat verschiedene Gründe. Nach den harten Sanktionen gegen Russland samt Ausschluss aus dem Swift und dem Einfrieren der Vermögenswerte der russischen Nationalbank sind Energieexporte aktuell die einzige Einnahmequelle Russlands aus dem Ausland. Die staatliche Gazprom hat zuletzt seinen Vertragspartnern zugesagt, auch mehr als die vertraglich vereinbarten Mindest-Liefermengen zu liefern.

Ende des Vorjahres wurde Kritik laut, dass Russland mehr als die zugesagte Gasmenge liefern könne, das aber nicht tue, um die Genehmigung von Nord Stream 2 zu erzwingen. Das Projekt wurde nach der Invasion in die Ukraine auf Eis gelegt.

Energieexporte sind Russlands wichtigste Einnahmequelle. Neben Gas exportiert das Land auch Öl, Kohle und Uran. Diese Exporte machen rund zwei Drittel der Warenexporterlöse aus und gut die Hälfte aller föderalen Einnahmen. Ein Lieferstopp wäre auch für Russland verheerend.

Auf europäischer Seite ist aber auch die Nachfrage nach russischem Gas zuletzt wieder gestiegen. Der Kälteeinbruch in vielen EU-Ländern, die unsichere Situation samt drohendem Lieferstopp, leere Gasspeicher – all das hat die großen europäischen Energieversorger, wie etwa Eni oder die heimische OMV, dazu veranlasst, wieder mehr Gas aus Russland anzufordern. "Die Pipeline Nord Stream 1 ist derzeit voll ausgelastet, die Jamal-Pipeline über Polen wird stärker genutzt und auch die Fördermengen über die Ukraine sind deutlich gestiegen", erklärt Carola Milgramm, Leiterin der Abteilung Gas bei der E-Control, gegenüber der "Wiener Zeitung".

Österreich verbraucht jährlich laut E-Control 8 Millionen Kubikmeter Gas, rund 80 Prozent davon kommen aus Russland. In der gesamten EU macht der Anteil an russischem Gas rund 40 Prozent aus. Der Gaspreis hat sich laut der "Austrian Energy Agency" binnen eines Jahres mehr als vervierfacht (siehe Grafik). Im Dezember stieg er kurzfristig sogar auf fast 130 Euro pro Megawattstunde.

Energiepreise steigen

Der Krieg in der Ukraine und ein drohender Lieferstopp heizen jedenfalls die Inflation ordentlich an. Auch der Ölpreis legte zuletzt deutlich zu. Ein Barrel (159 Liter) der Nordsee-Sorte Brent kostete am Dienstag kurzzeitig 113 US-Dollar. Seit Jahresbeginn ist der Ölpreis um 45 Prozent gestiegen.

"Für die Inflation verheißt das alles nichts Gutes", sagt die Ökonomin und Direktorin von EcoAustria, Monika Köppl-Turyna, zur "Wiener Zeitung". Und eine Entspannung für das laufende Jahr ist derzeit noch nicht in Sicht, wie EcoAustria in einer Analyse zur Einschätzung der zukünftigen Lieferpreise annimmt. Allerdings dürfte der Peak, zumindest aus heutiger Sicht, überschritten sein. Mitte 2021 kostete eine Megawattstunde Strom am Spotmarkt im Monatsdurchschnitt zwischen 17 und 56 Euro, im Dezember 2021 knapp 250 Euro, so die Analyse.

Achillesferse Gas

Die aktuellen Sanktionen treffen die heimische Wirtschaft, im Gegensatz zur russischen, kaum. Bei der Energie ist das anders. Die Gas- und Öllieferungen aus Russland könnten zur Achillesferse für Österreichs Wirtschaft werden. Deshalb ist man nun um Diversifikation und einer Reduzierung der Abhängigkeit von Russland bemüht. Das lässt sich aber kurzfristig nicht bewerkstelligen. Sollte es zu einem Stopp kommen, muss wohl zuerst der Energieverbrauch und die Produktion in der Industrie gedrosselt werden. Bei einer völligen Eskalation wären auch Haushalte von Energieengpässen betroffen.

Österreich will künftig mehr Flüssiggas aus den USA und arabischen Ländern importieren. Dieses ist aber teurer, energieintensiver und noch umweltschädlicher, weil es meist mittels chemischem Fracking gewonnen wird. Und es fehlt die entsprechende Infrastruktur. Laut Milgramm werde man wohl auch im Sommer, wenn es an die Gasspeicher-Befüllung für den kommenden Winter geht, noch auf russisches Gas angewiesen sein.