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Heftige Proteste der USA - Comeback des kalten Krieges? | Russische Truppen besetzen Abchasien. | Tiflis/Washington Russische Kampfflugzeuge und Artillerie haben in der Nacht zum Montag die georgische Stadt Gori angegriffen. Gori liegt unweit der Grenze zur abtrünnigen Provinz Südossetien. Laut Angaben der Georgier bereiten russische Bodentruppen einen Angriff auf die Stadt vor. Kurz zuvor hatte der georgische Präsident Michail Saakaschwili mitgeteilt, dass russische Panzer auf georgisches Staatsgebiet vorgerückt seien. Die militärische Konfrontation zwischen Russland und Georgien war schon am Sonntag weiter eskaliert. Die russische Marine versenkte ein georgisches Schnellboot. Die Luftwaffe griff wiederholt Ziele in Georgien an. | Georgien - Analysen und Hintergrund
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Russland droht Georgien ultimativ mit einem Einmarsch, sollte es seine Truppen nicht aus der sezessionistischen Teilrepublik Abchasien zurückziehen. Der Oberkommandierende der russischen Truppen in Abchasien, General Sergej Tschaban, verlangte am Montagmorgen laut einer Meldung der Moskauer Nachrichtenagentur Interfax den Abzug aller georgischen Kräfte binnen weniger Stunden aus der Sicherheitszone, die Georgier und Abchasen voneinander trennt.
Von georgischer Seite wurde das Ultimatum sofort zurückgewiesen. "Kein georgischer Polizist wird seine Waffen niederlegen", sagte der georgische Reintegrationsminister Temur Jakobaschwili im georgischen Fernsehen. General Tschaban erklärte, sollte die georgische Seite der Aufforderung nicht Folge leisten, würden russische Soldaten auf georgisches Territorium vordringen.
Die Regierung von Abchasien hatte am Sonntag eine militärische Mobilmachung verfügt. Ziel sei es, die georgischen Soldaten aus dem nördlichen Kodori-Tal zu vertreiben, sagte Präsident Sergej Bagapsch. Das Tal ist der einzige Gebietsteil Abchasiens, der noch von Georgien kontrolliert wird. Die abchasische Führung teilte am Montag in der Hauptstadt Suchumi mit, dass die georgischen Truppen im oberen Kodori-Tal komplett umzingelt seien. Die UNO-Beobachtermission hatte ihre dort stationierten Militärbeobachter am Wochenende abgezogen.
Nach einem Waffenstillstand im Mai 1994 waren in Abchasien 3000 russische Friedenssoldaten mit einem Mandat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) stationiert worden.
Ungeachtet einer von Georgien einseitig ausgerufenen Waffenruhe waren am Sonntag die Kämpfe zwischen georgischen und russischen Truppen weitergegangen. Russland warf Georgien vor, sich in dem Konflikt um die abtrünnige Region Südossetien nicht an die eigene Ankündigung zu halten. Zugleich machte Moskau ein schriftliches Waffenstillstandsabkommen zur Voraussetzung für eine Einstellung der Kämpfe.
Verbaler Schlagabtausch zwischen USA und Russland
US-Vizepräsident Dick Cheney hat Georgiens Staatschef Micheil Saakaschwili angerufen und ihm die Solidarität der USA im Konflikt mit Russland zugesichert: "Die russische Aggression darf nicht unbeantwortet bleiben." Im UNO-Sicherheitsrat haben sich Russland und die USA einen erbitterten Schlagabtausch geliefert. Der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Zalmay Khalilzad, verdächtigte die Regierung in Moskau, einen Regimewechsel in Georgien anzustreben. Die USA wollen erreichen, dass das militärische Vorgehen Russlands in Georgien verurteilt wird und dass beide Seiten zu einem Waffenstillstand aufgerufen werden. Die Tage, in denen in Europa Regierungen gewaltsam gestürzt worden seien, gehörten der Vergangenheit an, sagte Khalilzad.
Russlands Regierungschef Wladimir Putin warf den Georgiern "Völkermord" vor. Medwedew begründete die russischen Militärschläge in einem Telefonat mit US-Präsident George W. Bush mit "barbarischen Handlungen" Georgiens in Südossetien. Saakaschwili, ein enger Verbündeter der USA, beschuldigte Russland, Georgien zerstören zu wollen. Bush kritisierte die russische Militäraktion gegen Georgien als "unverhältnismäßige Reaktion".
Die Europäische Union hat ihre Vermittlungen im Kaukasus-Konflikt aufgenommen. Der französische Außenminister und amtierende EU-Ratsvorsitzende Bernard Kouchner und sein finnischer Kollege Alexander Stubb sprachen am Sonntagabend mit dem georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili in Tiflis und stellten einen Vier-Stufen-Plan vor.
Georgien hatte am Sonntag eine einseitige Waffenruhe erklärt und angegeben, seine Truppen aus Südossetien zurückgezogen zu haben. Russland forderte einen bedingungslosen Abzug Georgiens aus der Konfliktregion und eine Nichtangriffserklärung.
Die südossetische Hauptstadt ist völlig zerstört. Nach unbestätigten Angaben aus Moskau starben bisher mehr als 2000 Menschen. In Moskau sicherte der russische Präsident Dmitri Medwedew eine umfassende Wiederaufbauhilfe zu. Mehr als 30.000 Menschen sind ins benachbarte Nordossetien geflohen. Die südossetische Führung sprach von einer humanitären Katastrophe. Das UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR forderte die Konfliktparteien auf, Hilfsorganisationen in die Krisenregion zu lassen. Es sei wichtig, dass die Helfer zu den "betroffenen und vertriebenen" Menschen gelassen würden, sagte Hochkommissar Antonio Guterres in Genf. Beide Seiten müssten "humanitäre Prinzipien respektieren und den Schutz und die Sicherheit der Zivilisten gewährleisten".
AUA streicht Flüge nach Tiflis
Angesichts der schweren Kämpfe um die von Georgien abtrünnige Region Südossetien haben die Austrian Airlines ihre Flüge in die georgische Hauptstadt Tiflis (Tbilisi) am Sonntag und am Montag gestrichen. Wie AUA-Pressesprecher Michael Braun am Samstag mitteilte, sehe die AUA die Sicherheit von Passagieren und Crew angesichts der derzeitigen politischen Lage nicht gewährleistet. Deshalb sei auch schon der AUA-Flug nach Tiflis am Freitagabend kurzfristig storniert worden.
Am Montag werde über das weitere Vorgehen beraten, sagte der Sprecher. Die Austrian Airlines fliegen laut Braun am Montag, Mittwoch, Freitag und Sonntag jeweils um 22.25 Uhr in die georgische Hauptstadt (Flugnummer OS 653). Auf der AUA-Homepage wurden am Samstagnachmittag die gestrichenen Flüge vom Sonntag und Montag als "ausgebucht" angezeigt.
Reisewarnung
Das österreichische Außenministerium hatte am Freitag eine Reisewarnung für das gesamte Staatsgebiet Georgiens ausgegeben. Österreicher, die sich derzeit in Georgien aufhalten, wurden ersucht, sich unverzüglich mit dem österreichischen Honorarkonsulat in Tiflis, der österreichischen Vertretungsbehörde in Moskau oder der nächstgelegenen Vertretung eines EU-Mitgliedstaates in Verbindung zu setzen.