Londoner Konfliktforscher warnen vor gefährlichen neuen Kriegsherden und unsicheren Zeiten.
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London. Für "immer bedrohlicher" halten Militärexperten des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) die gegenwärtige globale Lage: "Unsicherheit, Gewalt und Gebrauch militärischer Mittel nehmen stetig zu."
Statt zu enden, begännen allerorten immer neue militärische Krisen. Zu den ernstesten zählen die Mitarbeiter des Londoner Instituts die wachsende Instabilität im Nahen Osten und in Nordafrika, vor allem aber den Konflikt in der Ukraine und "das immer forschere, immer aggressivere Verhalten" des russischen Militärs.
Dafür, dass sich die Europäer 2015 "so viel unsicherer" fühlen müssen als noch vor wenigen Jahren, macht das IISS in seinem neuen Jahrbuch "Military Balance" großteils "die Vorjahres-Ereignisse in der Ukraine" und "den Zerfall buchstäblich allen Vertrauens zwischen den Westmächten und Russland" verantwortlich.
Dies habe sich, meint das Institut, zu einer echten Gefahr für den europäischen Nachkriegs-Akkord entwickelt. Dringend seien neue Strategien nötig, um die Russen von abenteuerlichen Übergriffen auf fremdes Territorium abzuhalten, ihnen gleichzeitig aber auch Respekt vor ihren eigenen Sicherheitsinteressen zu signalisieren.
IISS-Direktor John Chipman beklagt in diesem Zusammenhang, "dass Europa einem immer kriegerischeren Russland gegenübersteht, das offenbar den Willen des Westens testen möchte". Moskau sei nicht nur zum Einsatz von Gewalt und zur Unterstützung der Gewalt anderer bereit, sondern rüste auch mächtig auf.
Russland rüstet stark auf
Es betreibe rigorose "militärische Modernisierung" durch den Bau neuer Schiffe, Kampfflugzeuge und Fernlenkwaffen. In den letzten drei Jahren hätten sich die russischen Militärausgaben jedes Jahr um durchschnittlich 10 Prozent erhöht.
Zwar glaubt Chipman, dass es den Russen schwerfallen wird, an dieser Rate festzuhalten. Sinkende Ölpreise und Sanktionen des Westens hätten schon jetzt zu einer spürbaren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage beigetragen - wenn Moskau weiter rüsten wolle, werde es in anderen Bereichen kürzen müssen.
Der russischen Aufrüstung stellt das IISS aber eine noch immer anhaltende Abrüstung des Westens gegenüber. In der Folge der Finanzkrise von 2008 seien die Militärausgaben im Westen zwischen 2010 und 2014 permanent gekürzt worden, und zwar im Schnitt um zwei Prozent jedes Jahr. Mittlerweile werde über "mögliche Lücken" in der Verteidigungs-Kapazität der Nato gestritten.
Die USA selbst, wiewohl noch immer der Welt herausragende Militärmacht, können laut IISS mit der internationalen Entwicklung kaum noch Schritt halten. 2010 bestritten die US-Amerikaner 47 Prozent der Militärausgaben der gesamten Welt. 2014, nur vier Jahre später, betrug dieser Anteil noch etwa 38 Prozent. Der Anteil des gesamten Westens am globalen Kuchen fiel in diesen vier Jahren von zwei Dritteln auf die Hälfte zurück.
Rüstungskrösus USA
Dafür haben sich die reellen Militärausgaben im asiatischen Raum im selben Zeitraum um vier Prozent und im Nahen Osten und in Nordafrika glatt um 40 Prozent erhöht. Die militärisch spendierfreudigsten Staaten nach den USA (581 Milliarden Dollar) sind heute China (129 Milliarden), Saudi-Arabien (81 Milliarden) und Russland (70 Milliarden). Danach kommen Großbritannien, Frankreich, Japan und Indien - sowie Deutschland (mit 44 Milliarden auf Platz 9).