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Die Verantwortung für den Krieg zwischen dem Aggressor und seinem Opfer zu verteilen, ist ungerecht. Es sind letztendlich nicht ukrainische Staatsbürger mit ukrainischen Waffen unter ukrainischen Fahnen auf russischem Boden, sondern umgekehrt. Das nennt man Aggression, Krieg. Die Ukraine ist am russischen Überfall im Jahr 2014 nicht mehr schuldig als Polen am deutschen Überfall im Jahr 1939.
Der Krieg begann mit dem Einsatz von Wladimir Putins "grünen Männchen" auf der Krim im Februar 2014. Auf Bestehen des Westens leistete die Ukraine damals keinen Widerstand. Unter russischer Militärpräsenz, binnen Tagen, wurde ein "Referendum" abgehalten. Die Ukraine hatte damals nur gefleht, dies nicht zu tun - erfolglos. Dann wurde das gleiche Szenario in anderen ukrainischen Orten verfolgt. Aus dem Nirgendwo tauchten die unmarkierten "grünen Männchen" auf, erklärten ukrainische Behörden für ungültig und etablierten neue. Zwei "Volksrepubliken" wurden installiert, deren Gründer lauter russische Staatsbürger mit Sicherheitsdiensthintergrund waren: die Herren Borodai, Strelkov (Girkin), Petrovskiy, Bezler und andere Väter dieses Krieges, die jetzt in Moskau als Nationalhelden gefeiert werden.
Februar, März, April, Mai - mehr als drei Monate lang haben wir im Jahr 2014 Russland um Frieden angefleht und zugesehen, wie das erste Blut vergossen wurde (Reshat Ametov auf der Krim, Volodymyr Rybak in Gorlovka und andere mehr). Erst im Juni begann die sogenannte Antiterroristische Operation. Erst nach drei Monaten fing die Ukraine an, sich zu verteidigen.
Zum heutigen Zeitpunkt hat sich die Situation stabilisiert - dank den Sanktionen und dem Erkennen Putins, dass die Ukraine kein leichtes Opfer sein wird. Statt dutzenden Toten täglich gibt es jetzt einzelne. Trotzdem, der Krieg ist nicht aus. Denn dem Kreml geht es nicht bloß um den Donbass. Ihm geht es um die ganze Ukraine, die er als seine Einflusszone sieht und kontrollieren will. Die Ukraine wird sich damit nicht abfinden.
Putin wollte den zerstörten Donbass wieder in die Ukraine integrieren - aber als Platzhalter Russlands. Also unter russischen Bedingungen, mit einer aus Russland eingesetzten Führung und der de facto nicht existenten Grenze zwischen der Ukraine und Russland in diesem Gebiet. Wir wollen das aber nicht. Wir fordern ehrliche Wahlen, an denen ukrainische Vertreter teilnehmen, die Kontrolle über unsere Grenze und die Rückkehr der mehr als 1,5 Millionen Flüchtlinge, die den Donbass - nicht zuletzt wegen ihrer pro-ukrainischen Haltung - verlassen mussten. Dann kann der Donbass den speziellen Status erhalten, von dem in Russland so viel die Rede ist und der in erster Lesung bereits im Herbst 2014 in der Ukraine verabschiedet wurde. Mit extraordinären Befugnissen (speziell in puncto Steuerverteilung und Handel).
Was die Sanktionen angeht: Diese ergaben sich aus einer undenkbar schlimmen Entscheidung Russlands. Wir alle, und auch ganz Europa, bezahlen den Preis dafür: Österreich durch Jobverluste, die Ukraine durch verlorene und zerstörte menschliche Leben. Wir fühlen den Schmerz Österreichs und schätzen seine Unterstützung. Und wir hoffen auf dasselbe Mitgefühl und die Unterstützung seitens Österreichs.
Zum Autor
Olexander Scherba
ist Außerordentlicher und Bevollmächtigter Botschafter der Ukraine in der Republik Österreich.