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"Russland spaltet geschickt Europäische Union"

Von Klaus Huhold

Europaarchiv

Diplomatin: Russland durch Putin mächtiger Akteur. | Wiener Zeitung: Sollte die EU bei einer Partnerschaft mit Russland nicht nachdrücklich demokratische und rechtsstaatliche Standards einfordern, wenn man etwa an die Unterdrückung der Opposition oder an Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien denkt?


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Judith Gebetsroithner: Das macht die EU ohnehin. Die Menschenrechtsfragen werden ständig angesprochen, außerdem unterstützt die EU die Zivilgesellschaft. Die Frage ist nur, wie weit die EU die Möglichkeit hat, von Russland etwas einzufordern. Wir müssen selbstbewusst darauf hinweisen, was unsere Werte sind, und hoffen, dass sich in Russland eine Gesellschaft entwickelt, die ihre Rechte einfordert. Und zwar nicht nur kleine Oppositionsgruppen, sondern immer mehr Menschen. Ein Problem ist zudem, dass die Opposition nicht einig ist. Auch deshalb, weil sie von der russischen Führung immer wieder geschickt gespaltet wird. Ebenso wie übrigens die EU.

Wie spaltet Russland die Europäische Union?

Indem es geschickt die bilaterale Schiene fährt. Die EU ringt um eine einheitliche Strategie gegenüber Moskau, um gemeinsame Erklärungen, doch in der Praxis macht jeder Staat oft, was er selbst für richtig hält. Etwa bei bilateralen Energieverträgen mit Russland, die zum Beispiel Deutschland oder kürzlich erst Bulgarien mit Moskau abgeschlossen haben.

Ist Europa in der Energiepolitik nicht zu abhängig von Russland? Immerhin bezieht die EU rund 40 Prozent ihres Gasbedarfs aus Russland.

Die EU bemüht sich um Alternativen, etwa mit dem Nabucco-Projekt. Doch den Grundbedarf wird Europa immer aus Russland brauchen, wir können und wollen Russland als Energielieferanten nicht ersetzen. Und Russland war bisher immer ein verlässlicher Lieferant.

Viele EU-Staaten deuten an, eine Unabhängigkeit des Kosovo zu akzeptieren. Kann es hier zu einer Einigung mit Moskau kommen?

Mein Eindruck ist, dass Russland einer Kosovo-Unabhängigkeit im UN-Sicherheitsrat nicht zustimmen wird. Moskau wird eine Souveränität höchstens missbilligend zur Kenntnis nehmen.

Hat Präsident Wladimir Putin sein Ziel erreicht, Russland nach der Zeit seines Vorgängers Boris Jelzin wieder zu einem mächtigen weltpolitischen Akteur zu machen?

Auf alle Fälle. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hat Russland gelitten. Es hat den Supermachtstatus verloren und ist - zugespitzt formuliert - nicht einmal ignoriert worden. Nato- und EU-Erweiterung wären mit einem starken Russland nicht so einfach möglich gewesen. Putin war getrieben von dem Wunsch, Russland wieder Respekt zu verschaffen. Nach dem Motto: Es darf keine Frage auf der Welt geben, die ohne Russland entschieden werden kann. Und so ist es heute.

Am Samstag, 26. Jänner, findet ab 9 Uhr 30 in der Diplomatischen Akademie in Wien (Favoritenstraße 15a) ein vom Internationalen Institut für den Frieden organisiertes Symposium zur Partnerschaft EU-Russland statt.