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In Russland reagiert man äußerst vorsichtig. Kaum einem Fernsehsender war das Bekenntnis von Doku Umarow zum Terroranschlag auf den größten Moskauer Flughafen eine Meldung wert. Man habe die Wortmeldung des selbsternannten "Emirs vom Kaukasus" erwartet, sagten die Sicherheitsbehörden, der Wahrheitsgehalt sei aber noch zu prüfen.
Premier Wladimir Putin hatte schon unmittelbar nach dem Anschlag erklärt, es sei unwahrscheinlich, dass die Spur nach Tschetschenien führen werde. Die Ermittler identifizierten den Attentäter als einen unter Drogen stehenden 20-Jährigen aus der Kaukasus-Republik Inguschetien.
Moskau hat allen Grund, den Anschlag herunterzuspielen. Nicht nur möchte man die Weltöffentlichkeit nicht auf die Menschenrechtssituation in Tschetschenien, wo Russlands Statthalter Ramsan Kadyrow mit Verschleppungen, Folter und Mord regiert, aufmerksam machen. Die Region liegt auch unweit von Sotschi, wo 2014 die Olympischen Winterspiele stattfinden werden.
Die Furcht, dass der Terror auch die Stadt am Schwarzen Meer erreichen könnte, ist groß. Fast zwei Milliarden Dollar sollen für die Sicherheit vom Olympia 2014 ausgegeben werden. Die Zahl der Polizisten wird zum Schutz der Stadt am Fuße des Kaukasus-Massivs auf 25.000 aufgestockt, es könnten auch mehr sein.
Vorläufig hat die Olympia-Stadt allerdings noch mit anderen Bedrohungen zu kämpfen. Die staatliche Sportanlagen-Erbauerfirma Olimpstroi hat bereits zum dritten Mal seit 2008 den Chef gewechselt. Offiziell wurde der jüngste Rücktritt im Jänner mit gesundheitlichen Gründen erklärt, inoffiziell stehen Korruptionsvorwürfe dahinter. Ein Bauunternehmer berichtete im Vorjahr, Staatsdiener würden Schmiergelder von zwölf Prozent für Bauaufträge in Sotschi verlangen.
Für Russland stehen in Sotschi aber nicht nur Olympia und andere Sportereignisse - Formel-1-Rennen 2014 und Fußball-WM 2018 - auf dem Spiel. Präsident Dmitri Medwedew will die Region auch zu einem Tourismus-Zentrum ausbauen. Davon erhofft er sich auch, Armut und Terrorismus im Kaukasus bekämpfen zu können. Politische Lösung hat er allerdings keine anzubieten.
Das kommt dem Islamisten-Führer Umarow entgegen. Dieser will gar nicht auf Olympia warten, sondern sich schon die Furcht um das Ereignis im Vorfeld zunutze machen. Kommen heuer Anschläge, wie angekündigt, im Monatstakt, würde dies potenzielle Investoren und Sportler abschrecken. Und jedem Präsidentschaftsbewerber, wer immer es sein mag, für die 2012 anstehende Wahl einen beträchtlichen Imageschaden zufügen.