Zum Hauptinhalt springen

Russland und China warnen USA vor Einmischung in Venezuela

Von Gerhard Lechner und Michael Schmölzer

Politik

Moskau will Regimewechsel aus strategischen Gründen verhindern.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Die Eskalation der venezolanischen Krise droht den ohnehin latenten Konflikt zwischen den USA und Russland weiter anzuheizen. Der Umstand, dass US-Präsident Donald Trump Oppositionschef Juan Guaido sofort als rechtmäßigen Präsidenten anerkannt und eine Militärintervention in dem südamerikanischen Land nicht ausgeschlossen hat, rief den Kreml auf den Plan. Russlands Präsident Wladimir Putin stellte sich demonstrativ hinter die sozialistische Regierung von Nicolas Maduro. Er kritisierte am Donnerstag die "zerstörerischen Eingriffe von außen", die gegen grundlegende Normen des Völkerrechts verstoßen würden.

Dabei ist durchaus fraglich, welche geopolitischen Interessen der Kreml im weit entfernten Südamerika verfolgt. Russland hat Venezuela Milliardensummen geliehen und seinem Militär Unterstützung zukommen lassen. Grund dafür dürften aber weniger handfeste Interessen als das Selbstbild Russlands als Weltmacht sein, die auf Augenhöhe mit den USA weltweit agiert. Der Politologe Heinz Gärtner weist im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" noch auf einen weiteren möglichen Grund für das Engagement des Kremls hin. "Moskau könnte mit dem Stoppschild für eine Venezuela-Intervention einem möglichen Regime-Change der Trump-Administration im Iran einen Riegel vorschieben wollen."

Die internationalen Reaktionen auf die Venezuela-Krise waren gespalten. Staaten wie China, der Iran oder die Türkei stellten sich an die Seite des linkssozialistischen Autokraten Nicolas Maduro, der sein Land abgewirtschaftet hat – so warnte etwa Peking die USA vor einer Einmischung –, während Europa, die USA und rechts regierte lateinamerikanische Staaten wie Brasilien und Argentinien die Opposition um Parlamentschef Guaido unterstützen. Maduro kündigte als Reaktion an, die diplomatischen Vertretungen in den USA zu schließen. Bereits am Mittwoch hatte er die diplomatischen Beziehungen zu Washington abgebrochen.

EU steht hinter der Opposition

Die EU zeigte sich in der Bewertung der Lage einig. Die Kommission betonte, dass Europa "hinter den demokratischen Kräften" in Venezuela, also hinter der Opposition stehe. Bürgerrechte, Freiheit und Sicherheit von Guaido müssten respektiert werden. Der bedankte sich am Donnerstag über Twitter bei jenen Staatschefs, die ihn bereits als Interimspräsidenten anerkannt hatten, allen voran bei US-Präsident Donald Trump. Ähnliche Botschaften sandte er an die Staatschefs von Argentinien, Kolumbien, Peru, Chile, Brasilien und Paraguay.

Die Krise in Venezuela wird zudem den UNO-Sicherheitsrat beschäftigen. Am Samstag soll sie im mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen auf der Agenda stehen. Die Dringlichkeitssitzung wurde von den USA einberufen. Über mögliche Schritte des Rats war zunächst nichts bekannt.
Offen bleibt auch, was die USA nun tun werden. US-Außenminister Mike Pompeo rief Maduro zum Rücktritt auf. Er und US-Sicherheitsberater John Bolton gelten innerhalb der Trump-Administration als Falken, die Militärinterventionen nicht abgeneigt sind. Unklar ist freilich, welche Folge ein solches Eingreifen hätte. Nach Ansicht des Wiener Politologen Tobias Boos könnte eine Intervention "bürgerkriegsähnliche Zustände" auslösen.

In Lateinamerika ist man besonders sensibel, wenn es um US-amerikanische Einmischung in innere Belange geht. Das hat historische Gründe: Im Jahr 1823 formulierte US-Präsident James Monroe seine berühmte Doktrin. "Amerika den Amerikanern" lautete das Schlagwort. Monroe ging es darum, europäische Kolonialmächte aus Nord-, Mittel- und Südamerika zu verbannen. Im 20. Jahrhundert war es dann aber so, dass die USA Lateinamerika als ihren Hinterhof betrachteten, wo man nach Belieben schalten und walten kann.

Geburt der Bananenrepublik

1903 etwa trennte sich Panama dank einer US-Intervention von Kolumbien – die USA konnten nur so den Panamakanal bauen. Die klassischen "Bananenrepubliken" waren geboren. Im Kalten Krieg kam es zu rund 25 verdeckten Aktionen der USA in Lateinamerika. Die bekannteste ist die fehlgeschlagene Invasion in der Schweinebucht 1961, die Fidel Castros Herrschaft in Kuba beenden sollte. Der letzte Zugriff war die US-Invasion in Granada im Rahmen der "Operation Urgent Fury" im Oktober 1983 – ein klarer Bruch des Völkerrechts, wie die UNO feststellte.

Die blutigen US-Interventionen sind fest im kollektiven Gedächtnis der Lateinamerikaner verankert, in den 1960er und 70er Jahren gab es massiven Widerstand gegen den "US-Imperialismus". Die Linke solidarisierte sich begeistert mit den Revolutionen auf Kuba und in Nicaragua. Dass Trump Haiti als "Drecksloch" bezeichnete, eine Mauer zu Mexiko will und Mexikaner in einem fort beleidigt, kommt in der ganzen Region äußerst schlecht an.

Wissen

Putsch oder Staatsstreich? Welche Formen der Machtkampf in Venezuela annimmt, wird unterschiedlich interpretiert.

Putsch

Er ist nach gängiger Definition der meist gewaltsame Sturz einer Regierung durch eine bisher nicht an der Macht beteiligte Gruppe. Das Wort stammt aus dem Schweizerdeutschen und bedeutet Stoß, Zusammenstoß.

Putschisten waren zuvor nicht an der Macht beteiligt - also keine Minister, Parlamentarier oder Verfassungsrichter. Oft putschte das gesamte Militär oder eine Gruppe von Offizieren gegen eine zivile Regierung.

In einigen Fällen wurde danach eine mehrjährige Militärdiktatur errichtet - etwa in Griechenland nach 1967 oder Chile nach 1973. Nach anderen Putschen übergaben die Militärs die Macht wieder an eine zivile Regierung, behielten sich aber weiterhin politischen Einfluss vor, so nach dem Ende der Militärherrschaft in der Türkei 1983 oder in Thailand.

Staatsstreich

Bei diesem illegalen, verfassungswidrigen Akt wird ein Verfassungsorgan oft von einer Gruppe gestürzt, die bereits mit an der Machtausübung beteiligt war. So könnte etwa ein Parlament den Regierungschef aus dem Amt drängen oder ein Präsident die Volksvertretung unter Androhung von Gewalt auflösen. Bei diesem Regimewechsel werden meist nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse geändert, sondern die politischen Spitzen ausgetauscht.

Umsturz

Seine Definition ist weiter gefasst und nicht immer trennscharf. Im Allgemeinen bezeichnet er den Vorgang, dass eine legitime Regierung gestürzt wird. Dazu kann, muss aber nicht Gewalt gehören. Am Ende steht oft eine andere politische Ordnung. Begleitet wird ein Umsturz oft von Massenbewegungen, die revolutionären Charakter haben können. In anderen Definitionen gilt Staatsstreich als übergeordneter Sammelbegriff. Staatsstreich und Putsch werden teils ebenso synonym verwendet wie Umsturz und Revolution.