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Russland-Virus infiziert Wiener Börse

Von Karl Leban

Wirtschaft

Auch die Bankenlastigkeit gilt als Problem für ATX, Rubel-Verfall lässt Raiffeisen-Aktie auf neues Rekordtief abstürzen, auch Uniqa verliert.


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Wien. Wien ist zwar die Stadt der Musik. Doch zumindest an seiner Börse spielt die Musik schon lang nicht mehr. Vorbei sind die Zeiten, als die viel beschworene Osteuropa-Fantasie den ATX in lichte Höhen trieb und ihn Mitte 2007 den nie wieder erreichten Rekordstand von gut 5000 Punkten erklimmen ließ. Seither zeigt sich Wiens Leitindex im Vergleich zu seinen Pendants in den USA und Europa nur noch dann als Outperformer, wenn es mit den Kursen nach unten geht. So wie jetzt.

Rund um den Globus stehen die Aktienmärkte seit Wochen unter Druck. Grund dafür sind der Verfall des Ölpreises, Konjunktursorgen in Europa sowie die bevorstehende Zinswende in den USA. Etliche Investoren sind nervös und werfen ihre Aktien auf den Markt. In Wien tun sie das freilich schon seit dem Frühjahr - nicht zuletzt wegen der Krise rund um die Ukraine und Russland. Dieser Abverkauf hat in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen.

Wien ist anders

Seit Ende November ist der ATX, der sich aus den 20 wichtigsten österreichischen Aktienwerten zusammensetzt, um mehr als zehn Prozent abgesackt. Damit beträgt sein Minus im bisherigen Jahresverlauf bereits fast 20 Prozent, während sich große europäische Indizes trotz der jüngsten Verluste noch weitgehend behauptet zeigen und die amerikanischen Börsen nach wie vor im Plus sind.

Wien, lediglich ein Randmarkt für Börsianer, ist also anders. Dass sein Leitindex den internationalen Aktienindizes seit Jahren hinterherhinkt, hat jedoch nicht nur mit dem durch die Finanz- und Wirtschaftskrise bedingten Wegfall der Ostfantasie zu tun. Zur weiteren Begründung der schwachen Performance verweisen Aktienexperten auf die starke Bankenlastigkeit bei der Branchenzusammensetzung des ATX.

Gerade Erste Group und Raiffeisen Bank International (RBI) decken zusammen mit mehr als 23 Prozent Gewichtung fast ein Viertel des Index ab. Kursveränderungen ihrer Aktien fallen beim ATX punktemäßig deshalb massiv ins Gewicht. Dass die beiden Finanztitel heuer tief unter Wasser sind, hat den Index deshalb hunderte Punkte gekostet.

Besonders schlimm sieht es bei der RBI-Aktie aus: Ihr Kurs hat sich in diesem Jahr mehr als halbiert, womit sich ein Börsenwert von zirka 1,6 Milliarden Euro in Luft auflöste. Allein am Dienstag stürzte die Aktie im Handelsverlauf auf ein neues Rekordtief von 11,355 Euro ab. Der Schlusskurs lag bei 11,51 (minus 9,4 Prozent). In Finanzkreisen ist bereits davon die Rede, dass der Raiffeisen Zentralbank Abschreibungen auf ihre wichtigste Beteiligung drohen, sollte der RBI-Kurs unter die Marke von 11,50 Euro rutschen und dort verharren.

Russland wirft Schatten

Die RBI leidet unter der Krise in der Ukraine und Russland, wo sie prominent vertreten ist. Der Verfall der Griwna und des Rubel macht ihr dabei ebenso zu schaffen wie der Anstieg notleidender Kredite. Nicht zuletzt auch wegen der Probleme in Ungarn erwartet die Bank für 2014 einen Verlust von bis zu 500 Millionen Euro.

Von der Russland/Ukraine-Krise ist die Erste zwar nicht direkt betroffen. Aber auch sie wird heuer Verluste schreiben, wegen hoher Abschreibungen in Rumänien und Ungarn rechnet das Management mit einem Minus von bis zu 1,6 Milliarden Euro.

Heuer ist die Erste-Aktie bisher um rund 25 Prozent gefallen, wobei alles in allem 2,7 Milliarden Euro an Börsenwert verloren gingen. Am Dienstag legte der größte ATX-Titel um mehr als fünf Prozent auf 19,345 Euro zu, nachdem er tags zuvor um fast acht Prozent nach unten gerasselt war. Dazu ein Detail am Rande: Europäische Bankaktien sind heuer besonders volatil, weil sie nicht zu den Liebkindern der Anleger zählen.

Das gilt allerdings auch für Titel aus der Ölbranche. Die OMV, ebenfalls ein ATX-Schwergewicht, gehört heuer mit einem Kursminus von mehr als 40 Prozent zu den größten Verlierern im Index. Aufgrund des fallenden Ölpreises, Förderausfällen in Libyen und im Jemen sowie schwacher Raffineriemargen notiert sie an der Börse mit nur noch knapp über 20 Euro auf einem Mehrjahrestief. An Börsenwert hat sie heuer rund 4,7 Milliarden Euro verloren.

Immofinanz unter Druck

Neben der Bankenlastigkeit gilt unter Fachleuten aber auch die Osteuropa-Lastigkeit vieler Aktienwerte als Problem für den ATX. Die Versicherer Vienna Insurance Group (VIG) und Uniqa etwa sind im Osten Europas, den Profi-Anleger mittlerweile sehr kritisch sehen, breit aufgestellt. Während die VIG-Aktie heuer weitgehend stabil ist, hat die Uniqa-Aktie zirka ein Fünftel ihres Werts verloren.

Schlimm hat es auch die in Russland stark investierte Immofinanz erwischt, die Montagabend eine Gewinnwarnung absetzte. Die Aktie hat sich heuer um mehr als 25 Prozent verbilligt.