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Russland zieht seine Truppen ab

Von WZ Online

Politik

Moskau: Vereinbarungen erfüllt | Washington widerspricht | 500 Soldaten in einer Pufferzone um Südossetien | Russland hat nach eigenen Angaben am Freitag, den Abzug seiner Truppen aus dem georgischen Kerngebiet abgeschlossen, sagte der russische Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow in Moskau. US-Präsident George W. Bush meint, dass Russland die Vorgaben der Vereinbarung noch nicht erfülle.


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Ausgenommen von dem Abzug sind nach Angaben des russischen Außenministers Sergej Lawrow etwa 500 Soldaten. Sie werden laut Serdjukow in einer Pufferzone um die abtrünnige Region Südossetien Stellung beziehen, um wie international vereinbart Sicherheitsaufgaben wahrzunehmen. Nach Angaben der Heeresführung in Moskau werden sich die Truppen zunächst von georgischem Kerngebiet nach Südossetien zurückziehen und später die Grenze nach Russland überschreiten.

Diese Operation nehme etwa zehn Tage in Anspruch, sagte der Befehlshaber der Bodentruppen, General Wladimir Boldyrew, in der nordossetischen Stadt Wladikawkas.

Kritik aus Wahington

US-Präsident George W. Bush und sein französischer Kollege Nicolas Sarkozy seien bei einem Telefongespräch am Freitag einhellig der Meinung gewesen, dass Russland die Vorgaben der Vereinbarung noch nicht erfülle, teilte das Weiße Haus mit.

Bestätigungen aus Georgien

Bestätigungen über den Abzug kamen hingegen aus der Region. Aus mehreren Städten wie Gori und Sugdidi seien die Kampfverbände bereits nahezu restlos abgezogen, sagte ein Sprecher des Sicherheitsrates in Tiflis am Freitag Nachmittag.

UNO ohne Einigung

Eine Sitzung des UNO-Sicherheitsrats zum Kaukasus-Konflikt ging am Donnerstagabend (Ortszeit) in New York nach zweistündigen Beratungen ergebnislos zu Ende. Russland kündigte an, seinen vom Westen nicht unterstützten Resolutionsentwurf im Alleingang zur Abstimmung zu stellen.

"Was nötig ist, ist die Verabschiedung einer Resolution", sagte der russische UNO-Botschafter Witali Tschurkin. Er wies darauf hin, dass der russische Entwurf lediglich den EU-Friedensplan für den Kaukasus enthalte.

Die westlichen Staaten wollen in der UNO-Resolution auch die territoriale Integrität Georgiens verankert sehen. Russland versteht sich als Schutzmacht der beiden abtrünnigen georgischen Republiken Südossetien und Abchasien, in denen mehrheitlich Russen leben.

"Die bloßen sechs Punkte ohne Klarstellungen, ohne Anzeichen für ihre Einhaltung werfen die Frage auf, warum wir den Rat etwas festschreiben lassen sollten, an das sich nicht gehalten wird", sagte US-Vizebotschafter Alejandro Wolff. Diplomaten zufolge dürfte Frankreich nun seinen vorliegenden Beschlussentwurf fallenlassen und stattdessen den russischen Vorschlag um Punkte wie den Verweis auf die territoriale Integrität Georgiens ergänzen.

US-Präsident George W. Bush warf Russland indes eine "Blockade" Georgiens vor. In einem Telefongespräch mit dem georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili forderte Bush neuerlich einen umgehenden Abzug der russischen Truppen aus Georgien, sagte US-Präsidentensprecher Gordon Johndroe. Solange die Krise in Georgien nicht gelöst sei, sei keine militärische Kooperation der USA mit Russland denkbar, betonte der Sprecher.

Russlands Beziehungen zur NATO auf Eis

Russlands Vertreter bei der NATO, Dmitri Rogosin, bestätigte, dass Moskau die Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsbündnis bis auf weiteres auf Eis gelegt habe. Nach dem Beschluss der NATO-Außenminister, die Beziehungen zu Moskau bis zum Truppenabzug aus Georgien einzufrieren, stellte Russland am Donnerstag die militärische Zusammenarbeit bei Übungen mit der NATO "bis auf weiteres" ein.

Betroffen seien unter anderem gemeinsame Übungen zur Rettung von Schiffbrüchigen, zur Raketenabwehr und bei der Offiziersausbildung, sagte NATO-Sprecherin Carmen Romero in Brüssel. Rogosin betonte jedoch, dass Russland die Kooperation mit der NATO in Afghanistan aufrechterhalten werde.

Provinzen auf dem Weg zur Unabhängigkeit

Neben Südossetien verstärkt auch Abchasien seine Bestrebungen nach Unabhängigkeit. In der Hauptstadt Suchumi forderten am Donnerstag mehr als 50.000 Demonstranten eine internationale Anerkennung der einseitig erklärten Unabhängigkeit. Langfristig wünschen Abchasien und Südossetien eine Aufnahme in die Russische Föderation.

Russische Medien halten es für möglich, dass der Föderationsrat in Moskau Anfang nächster Woche die Unabhängigkeit der Regionen anerkennt.

Aus Südossetien geflohene Georgier dürfen offenbar nicht mehr in ihre Häuser zurückkehren. Dies deutete der Präsident der abtrünnigen georgischen Region, Eduard Kokoiti, am Freitag im Interview der Nachrichtenagentur AP an. Er verwies darauf, dass ethnische Osseten nach einem früheren Regionalkonflikt ihrerseits von Georgien ferngehalten worden seien. Zudem hätten die meisten Georgier ohnehin kein Zuhause mehr in Südossetien.

Frankreich: Südossetien nicht mit Kosovo zu vergleichen

(AP, AFP, APA)