Der russische Politologe Dmitrij Oreschkin über die Aussichten der russisch-amerikanischen Beziehungen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Wiener Zeitung": Der designierte US-Präsident Donald Trump hat den ExxonMobil-Chef Rex Tillerson zum Außenminister vorgeschlagen. Tillerson ist in der russischen Politik bestens vernetzt. Für den Kreml Grund zur Freude?
Dmitrij Oreschkin: In Donald Trump sieht der Kreml eine Figur, die einerseits - im Gegensatz zu den Demokraten - mehr der Realpolitik und den inneren Angelegenheiten zuneigt, andererseits aber auch gegen das System auftritt. Die Ernennung des neuen Außenministers zollt dieser neuen Realität Tribut: "Business as usual", Ölhandel statt Ukraine-Krise, womöglich ein Ende der Sanktionen - das entspricht völlig der Weltsicht von Wladimir Putin, in der die Politik vom Geld abhängt und das Geld von der Politik. Doch im russischen Außenministerium weiß man sehr wohl, dass die Sanktionen nicht von Obama, sondern vom Kongress verhängt wurden. So wird es auch unter dem neuen US-Außenminister nicht so einfach sein, die Sanktionen abzuschaffen. Aber vieles ist noch unklar, und in Moskau halten sich noch viele mit Aussagen zurück, um am Ende nicht als Dummkopf dazustehen, wenn sich die Hoffnungen nun doch nicht erfüllen. In der russischen Öffentlichkeit gibt es jedenfalls eine leise Begeisterung: Putin kontrolliert die Ernennung von Schlüsselfiguren im US-Außenministerium! So illustriert es zumindest die Propaganda.
Rex Tillerson werden auch gute Verbindungen zu Igor Setschin, dem Chef des russischen Ölriesen Rosneft, nachgesagt.
Was die russische Wirtschaft angeht, so tun ihr die Sanktionen - anders, als offiziell immer wieder gesagt wird - sehr weh. Aber vom US-Außenministerium hängt im Hinblick auf die russische Wirtschaft nicht besonders viel ab. Zudem waren die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Russland und den USA nie besonders eng. Wichtiger ist die Verflechtung und Abhängigkeit der Wirtschaft von der Politik. Ein Ölhändler im US-Außenamt kommt dem Kreml aber selbstverständlich entgegen - man weiß, wie man mit ihm sprechen muss und welche Themen ihn bewegen.
Hofft der Kreml darauf, dass sich die Beziehungen zwischen Russland und den USA nachhaltig verbessern?
Ich bin mir nicht sicher, inwiefern der Kreml auf eine deutliche Veränderung der Beziehungen mit den USA spekuliert - oder ob er das überhaupt will. Putin braucht das Bild eines starken Feindes von außen, um die Nation vor eben dieser äußeren Gefahr zu einen. Aber diese Möglichkeit wird zweifellos gesehen und durchgerechnet. Putin liebt es, mehrere Varianten zur Auswahl zu haben. Die Verbesserung der Beziehungen ist eine davon. Dennoch wird Moskau letztlich von Trump enttäuscht werden.
Warum?
Trump wird gezwungen sein, in dem Rahmen zu handeln, der in der US-Politik nun einmal vorgegeben ist. Außerdem konsolidiert in Russland der äußere Feind die Wähler. Und da sich die wirtschaftliche Lage in Russland nicht so schnell verbessern wird, wird es auch weiterhin eine negative Mobilisierung der Bevölkerung geben, im Sinne: Wenn ihr nicht Putin unterstützt, dann werden sie - der Westen - uns zerstören! In der Propaganda kann sich sehr schnell alles verändern. Das haben wir auch mit der Türkei gesehen: Vor einem Jahr (nach dem Abschuss des russischen Kampfflugzeuges durch die türkischen Luftstreitkräfte, Anm.) wurde die Einfuhr von türkischen Tomaten nach Russland verboten, jetzt ist wieder alles im Lot. In einem halben Jahr, oder auch in einem Monat, könnte das staatliche Fernsehen sagen: Trump ist ja noch viel schlimmer als Clinton! Trump hin oder her - die USA sind und bleiben unser Feind, so ist die Denke.
Wie ähnlich sind sich Trump und Putin?
Nicht besonders. Aber sie vertreten einen ähnlichen Typus der Gesellschaft, der Mentalität. Ich würde das eine globale Renaissance der Provinz, der sozialen Peripherie, bewerten. Putin sagt ja auch immer: Wir haben uns von den Knien erhoben!
Das russische "Make America great again"?
Die Ideologie der Peripherie gibt Sinn und Bedeutung. Diese globale Tendenz hat in Russland schon früher begonnen. Diese Gruppen sind aber kein stabiles Material, das sich um ein fixes Wertesystem gebildet hat. Im Gegenteil: Es ist leicht formbar und reagiert sehr leicht auf populistische Lösungen.
Dmitrij Oreschkin, Jahrgang 1953, ist Politologe und Geograf. Unter der liberalen Partei
"Union der rechten Kräfte" hat Oreschkin 2007 für die Staatsduma kandidiert. Oreschkin hat die russische Außenpolitik und zuletzt die Rolle Russlands in der Ukraine-Krise immer wieder scharf kritisiert.