Künftig Meldepflicht für NGOs, die Geld aus dem Ausland erhalten.
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Moskau. Für Wladimir Putin steht längst fest: Der Widerstand, der sich gegen seine Macht richtet, ist eindeutig vom Ausland gesteuert. Moskau verdächtigt seit langem EU-Staaten, vor allem aber die USA, sich in die inneren Angelegenheiten einzumischen. "Es gibt Bürger mit russischem Pass, die im Interesse fremder Staaten agieren", rief Putin seinen Anhängern zu, da war er noch nicht wieder Präsident des flächengrößten Landes der Erde. Mittlerweile ist er das, und prompt folgen im vorauseilenden Gehorsam Gesetzesänderungen, die der jüngst aufgeflammten Protestbewegung den Garaus zu machen versuchen. Das verschärfte Demonstrationsrecht war so ein Schritt, nun folgt der nächste Schlag. Alle Nichtregierungsorganisationen (NGO), die finanzielle Mittel aus dem Ausland erhalten, sollen künftig - so will es die Kremlpartei "Einiges Russland" - die Bezeichnung "ausländischer Agent" führen. Selbst auf dem Briefkopf soll das Spionage-Etikett kleben. In erster Lesung hat Russlands Duma die Änderungen gestern angenommen. Bis die Abgeordneten in einer Woche in ihre Sommerferien gehen, soll das Gesetz dem Präsidenten zur Unterschrift vorgelegt werden. Damit zieht das Regime die Daumenschrauben gegen seine Kritiker weiter an.
"Haltet Euer Cash bereit"
Alexander Sidjakin ist ein 34-jähriger Abgeordneter von "Einiges Russland", ein unscheinbarer Jurist aus Baschkortostan am äußersten Ostrand Europas. Sein Twitter-Account schmückt ein Bild von zwei Boxern in einem Ring. Einer landet einen Volltreffer im Gesicht des anderen. Kämpferisch gibt sich auch Sidjakin. "Habe ein Gesetzesprojekt vorbereitet, das das NGO-Gesetz verändern wird. Haltet euer Cash bereit, ihr ausländischen Agenten!", teilte er vor einer Woche der digitalen Welt mit. Samt einem Smiley dahinter. Ein Witz war das nicht. Schon vor einigen Wochen tat sich Sidjakin mit den eingebrachten Änderungen in das Demonstrationsgesetz hervor.
Nach dem neuen Gesetz soll jede nichtkommerzielle Vereinigung, die Geld oder anderen Besitz von Drittstaaten, ausländischen Organisationen oder Bürgern anderer Länder erhält und politisch tätig ist, zum "ausländischen Agenten" abgestempelt werden. Und politisch ist alles, was sich gegen die staatliche Politik richtet. Die Menschenrechtsorganisation "Memorial", die sich für die Aufarbeitung stalinistischen Terrors einsetzt, die Wahlbeobachtungsorganisation "Golos", aber auch Niederlassungen von Greenpeace oder Amnesty International wären betroffen. Selbst Vereinigungen wie "Schenke Leben" für krebskranke Kinder gerieten so ins Visier. Da sie alle keine staatliche Unterstützung bekommen, sind sie auf Geldgeber außerhalb des Landes angewiesen.
Tritt die Änderung wie geplant im Herbst in Kraft, müssen die NGOs viermal im Jahr staatlichen Kontrolleuren Einblick in ihre Buchhaltung gewähren und Rechenschaft über die Verwendung ausländischer Fördermittel ablegen. Machen sie das nicht, drohen Strafen bis zu einer Million Rubel (umgerechnet 25.000 Euro) oder Freiheitsentzug von bis zu vier Jahren.
"Einiges Russland" sieht darin nichts Verwerfliches. "Agent" bedeute eigentlich "Repräsentant". Die meisten Russen verbinden mit dem Begriff freilich "Spion" - eine Tatsache, über die die Autoren des Gesetzes gerne hinwegblicken.