Der Ukraine, die 2022 auch wirtschaftlich massiv litt, sagen die WIIW-Ökonomen für 2023 moderates Wachstum voraus.
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Die Sanktionen des Westens gegen Russland nach dem Überfall auf die Ukraine greifen, allerdings nur langsam. 2022 haben sie bewirkt, dass die Wirtschaft des nach Fläche und Einwohnern größten Staates in Europa schrumpft - gegenüber dem Jahr davor um 2,1 Prozent. Aus Sicht der Ökonomen des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) wird die russische Konjunktur vorerst aber nicht weiter abwärts driften. Für das heurige Jahr rechnen diese mit einer stagnierenden Konjunktur.
Importabhängige Sektoren wie die Autoindustrie oder der Einzelhandel leiden unter den Sanktionen freilich "massiv", wie WIIW-Direktor Mario Holzner am Mittwoch bei der Präsentation des neuesten Konjunkturausblicks für Osteuropa betonte. Im Gegenzug florierten die Rüstungsindustrie und manche Bereiche, in denen sanktionierte Importgüter nun substituiert würden. Russischen Quellen zufolge zählten etwa die Pharmaindustrie und die Produktion von Elektromotoren, Generatoren und Transformatoren dazu. "Je länger der Krieg dauert, desto mehr muss Russland die Kriegswirtschaft ankurbeln", sagte Holzner vor Journalisten.
Längerfristig hat Russland ein budgetäres Problem
Vasily Astrov, Russland-Experte des WIIW, meinte denn auch: "Die boomende Kriegsindustrie, die Anpassung an die Sanktionen und die Neuausrichtung des Handels auf Asien verhindern heuer wohl, dass die russische Wirtschaft weiter schrumpft." Dies ändere "aber nichts daran, dass die sanktionsbedingten Ausfälle aus dem Energiegeschäft den Kreml mittlerweile teuer zu stehen kommen". Nicht von ungefähr habe Präsident Putin zuletzt auch öffentlich eingeräumt, "dass die Sanktionen wehtun und man sich auf schwierigere Zeiten einstellen müsse", so Astrov.
Im ersten Quartal hätten sich die für den russischen Staat so wichtigen Budgeteinnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas nahezu halbiert, während die Ausgaben um gut ein Drittel gestiegen seien. "Das daraus resultierende Budgetdefizit dürfte heuer aber verkraftbar sein", sagte Astrov. Längerfristig dürfte Russland hier allerdings vor einem akuten Problem stehen. Ein weiteres Problem ergibt sich laut Astrov durch die vom Westen gestoppten Lieferungen von Hochtechnologie (etwa Computerchips), da diese auch China nicht liefern könne.
Unterdessen sind noch immer fast zwei Drittel (65 Prozent) jener österreichischen Firmen, die vor dem Krieg in Russland tätig waren, dort weiterhin präsent. Prominentestes Beispiel ist die Raiffeisen Bank International. 2022 stieg der Wert der österreichischen Importe aus Russland wegen der hochfliegenden Gaspreise um 76 Prozent, während Österreichs Exporte nach Russland wertmäßig nur um 8 Prozent abnahmen (in der EU lag das durchschnittliche Minus bei 38 Prozent). "Das zeigt die anhaltend starke wirtschaftliche Verflechtung zwischen Österreich und Russland", sagte Institutschef Holzner.
In der Ukraine war der kriegsbedingte Einbruch der Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr mit einem Minus von 29,1 Prozent etwas weniger stark als vom WIIW befürchtet. Angesichts der enormen Zerstörungen (so vor allem auch an der Energie-Infrastruktur) und der Tatsache, dass 15 Prozent der Bevölkerung aus dem Land geflohen sind, sei die "relative Resilienz der ukrainischen Wirtschaft beeindruckend", meinte Olga Olga Pindyuk.
Für heuer geht die Ukraine-Expertin des WIIW von einem Wachstum von 1,6 Prozent aus, das aber vom weiteren Kriegsverlauf abhänge. Ein positiveres Geschäftsklima, eine bessere Energieversorgung, der Getreide-Deal und die internationalen Finanzhilfen sorgten für "vorsichtigen Optimismus". Das für heuer prognostizierte Budgetdefizit von 27 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wird auch weiterhin zum Großteil über massive westliche Hilfen finanziert werden.
Osteuropa wächst heuer doppelt so stark wie Eurozone
Den ökonomischen Schock durch den Ukraine-Krieg dürften die meisten der insgesamt 23 Länder Mittel-, Ost- und Südosteuropas inzwischen zum größten Teil überwunden haben. Mit Ausnahme Ungarns, wo die Wirtschaft heuer wohl leicht schrumpft, werden alle anderen Länder auch 2023 wachsen - obwohl sich die wirtschaftlichen Aktivitäten gegenüber dem Vorjahr, das trotz Krieg nicht zuletzt von den Nachholeffekten nach Corona geprägt gewesen sei, deutlich abgeschwächt hätten, so das WIIW.
Was etwa die EU-Mitgliedstaaten der Region betrifft, sei für diese für 2023 ein Wachstum zu erwarten, das im Schnitt mit 1,2 Prozent mehr als doppelt so hoch ausfallen dürfte wie das der Eurozone (0,5 Prozent).
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"Trotz der hartnäckig hohen Inflation, die Haushalte und Unternehmen natürlich belastet, hellt sich die Stimmung in der Region langsam auf", sagte Pindyuk. "Das hat auch damit zu tun, dass alle Indikatoren mittlerweile auf eine langsame Erholung der Eurozone und ihrer stärksten Ökonomie, Deutschland, hindeuten." Hohe Abwärtsrisiken bestehen dennoch. So könnte die drastische Straffung der Geldpolitik zu einer härteren Landung führen, und nach wie vor sei auch eine Eskalation des Krieges in der Ukraine möglich (etwa durch den Einsatz von Atomwaffen). Dass nach den US-Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr eine Regierung an die Macht kommen könnte, die die Ukraine weniger unterstützt, wäre ebenfalls "negativ für das Vertrauen in der Region", so Pindyuk.