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Pentagon: "Peking führt andauernde Hackerangriffe durch."
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Wien. Der moderne Krieg findet ohne Gewehre statt, ohne Helme oder Splitterschutzwesten. Ein Computer und ein Internetanschluss sind die neuen Waffen. Seit Jahren schon etablieren sich weltweit neben Terrorismus Cyber-Attacken als vorrangige Sorge von Staaten und Militär. Egal ob Informationsdiebstahl oder das gezielte Lahmlegen von sensibler Infrastruktur: Der Kampf im virtuellen Raum mit realen Auswirkungen weitet sich aus und die Welt rüstet auf.
Die USA haben in den letzten Monaten die Ausbildung in Sachen Cyberkrieg massiv ausgeweitet. An der elitären Militär-Akademie in West Point absolviert fast jeder Kadett mindestens zwei Technikkurse, die mit Computersicherheit zu tun haben. Ebenso verstärkt der deutsche Bundesnachrichtendienst den Kampf gegen Spionageattacken über das Internet. Eine neue Abteilung mit bis zu 130 Mitarbeitern soll sich ausschließlich mit Hackerangriffen auf Bundeseinrichtungen und die deutsche Industrie beschäftigen.
Als größter Bösewicht gilt dem Westen China. Mithilfe gezielter Cyber-Spionage versuche das Land, Informationen über die US-Außenpolitik und militärische Planungen der Vereinigten Staaten zu sammeln, hieß es am Montag im Jahresbericht des US-Verteidigungsministeriums zu China. Im vergangenen Jahr habe Peking zu diesem Zweck eine andauernde Hacker-Kampagne geführt. Private Unternehmen, darunter die renommierte Zeitung "New York Times", melden von sich aus Angriffe aus China. Auch für den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) geht die Gefahr vor allem von China aus. Dort arbeiten nach BND-Erkenntnissen bis zu 6000 Experten in einer eigens eingerichteten Abteilung des Verteidigungsministeriums, die sich auf die Abschöpfung von Technologieunternehmen und Rüstungskonzernen aus dem Ausland spezialisiert haben.
China weist Vorwürfe
als "haltlos" zurück
China ist über die Anschuldigungen empört und weist die Vorwürfe als "unverantwortlich" zurück. Der jüngste Bericht des Pentagons enthalte "haltlose Beschuldigungen", zitierte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Dienstag den Forscher Wang Xinjun von der Militärakademie der Volksbefreiungsarmee. China selbst hat wiederum den USA in der Vergangenheit wiederholt vorgeworfen, mit Cyberattacken Spionage zu betreiben. Doch wer wen tatsächlich ausspioniert, lässt sich nur schwer beweisen.
"Hundert Prozent verlässliche Methoden zur Ausforschung gibt es nicht", erklärt ein hochrangiger militärischer Cyberexperte gegenüber der "Wiener Zeitung", der namentlich nicht genannt werden wollte. Neben elektronischen Mitteln versuche man, mit Indizien und Folgerungen den Übeltätern auf die Schliche zu kommen. "Wichtig ist dabei die Frage: Wem nützt das Material?", so der Experte. Denn dass die Angriffe Realität sind, steht außer Zweifel. Die Aktion "Roter Oktober" machte ebenso Schlagzeilen wie "Stuxnet". Im Falle von "Roter Oktober" haben Spionageprogramme über fünf Jahre hinweg unentdeckt auf den Computern und in den Netzwerken von diplomatischen Vertretungen, Regierungsorganisationen und Forschungsinstituten in Osteuropa und Zentralasien systematisch geheime und sensible Dokumente gesammelt. Von besonderem Interesse waren Dateien, die mit dem von der EU und Nato genutzten Programm Acid Cryptofiler verschlüsselt waren. Die Spur führte nach China und in den russischsprachigen Raum.
Bei großen Ländern sind Cyberkrieg und -spionage schon länger ein Thema. Die Motivation ist doppelt: Einerseits die Verteidigung vor Angriffen wie "Roter Oktober", andererseits selbst mit Cyberangriffen auf Informationssysteme den Gegner empfindlich treffen. "Stuxnet" war das Musterbeispiel für Letzteres. Der vermutlich in israelisch-amerikanischer Zusammenarbeit entwickelte Virus legte gezielt Teile des iranischen Atomprogramms lahm.
Cyberspionage ist für Kleine sehr attraktiv
Doch auch wenn es vor allem die Großen sind, die sich für den Kampf im Internet rüsten, ist es dem Cyber-Experten zufolge gerade für kleine Länder sehr attraktiv, das Internet zu Spionagezwecken zu nutzen: Die Kosten seien niedrig, der personelle Aufwand gering, es gebe keinen direkten Kontakt mit dem Opfer. Gründe, die die Cyberangriffe auch für Kriminelle und Terroristen attraktiv machen, zumal mit der richtigen Standortwahl sogar Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung gewährleistet sei.
Doch viel schlimmer wäre es, wenn es Terroristen gelänge, das Internet für ihre Zwecke zu missbrauchen. "Wenn Terroristen ein Flugzeug in ein Gebäude krachen lassen wollten, brauchten sie bis jetzt einen Selbstmordattentäter. Über das Internet bräuchten sie sich jedoch nur in die Steuersoftware für den Flugverkehr hacken und könnten beispielsweise zwei Passagiermaschinen zusammenstoßen lassen", warnt der Experte. Nicht zuletzt deshalb hat es in der Vergangenheit bereits Annäherungen auf dem Gebiet zwischen China und den USA gegeben. US-Außenminister John Kerry dazu bei seinem letzten Besuch in Peking: "Die Sicherheit im Internet geht alle an. Sie betrifft die Flugzeuge in der Luft, die Züge auf ihren Schienen, es betrifft die Wasserdurchleitung durch Staudämme, es betrifft Verkehrsnetze, Kraftwerke, es betrifft den Finanzsektor, Banken und Geldgeschäfte." Da ist Kooperation statt Streit gefragt.