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55 Millionen Euro Bestechungsgelder weißgewaschen, Bestechungen reichten bis in die Schweiz.
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Athen. Rund 60 Verhandlungstage, 19 Angeklagte und ein gewaltiges Medieninteresse: Der symbolträchtige Prozess gegen den griechischen Ex-Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos und weitere 18 Angeklagte endete am Montag in erster Instanz vor einem Athener Gericht. Tsochatzopoulos wurde der Bestechung und Geldwäsche zu Lasten der öffentlichen Hand für schuldig gesprochen und zu zwanzig Jahre Haft verurteilt. Aufgrund seines Alters muss Tsochatzopoulos (74) nur ein Fünftel seiner Haftstrafe verbüßen.
Neben ihm wurden 16 Angeklagte, darunter seine Frau Vicky Stamati, seine deutsche Ex-Frau Gudrun Moldenhauer sowie seine Tochter Areti Tsochatzopoulou, schuldig gesprochen und zu sechs bis 16 Jahren verurteilt. Zwei Angeklagte erhielten Freisprüche.
Tsochatzopoulos befand sich seit April 2012 in Untersuchungshaft. Das Gericht stellte in seinem Urteil fest, dass er in seiner Amtszeit als Verteidigungsminister von 1996 bis zum 23. Oktober 2001 im Zuge der Beschaffung des russischen Raketenabwehrsystems Tor M1 sowie deutscher U-Boote für die griechischen Streitkräfte Bestechungsgelder in Höhe von insgesamt 55 Millionen Euro kassiert und gewaschen habe.
Seit Ende der 1990er Jahre soll der Pasok-Politiker dafür ein Netz von Offshore-Firmen aufgebaut haben. Die Spuren führen dabei in die Schweiz. Laut einem Entscheid des Schweizer Bundesgerichts vom 20. August 2007 wurden diesbezüglich Zahlungen über 21 Millionen US-Dollar in die Schweiz festgestellt. Demnach seien "vier Überweisungen zwischen dem 28. September 2000 und dem 2. November 2000 auf zwei Konten der D. Ltd. bei der Bank F. in Z. gutgeschrieben worden", so das Schweizer Bundesgericht. Die Schweizer Behörden froren im April 2013 Bankkonten mit Guthaben in Millionenhöhe ein.
Wurde auch Christoph Blocher bestochen?
Womöglich wurde Tsochatzopoulos nicht nur im großen Stil bestochen, sondern er soll selber mit einem Teil der kassierten Bestechungsgelder andere bestochen haben - notgedrungen. Denn der Fall Tsochatzopoulos tangiert offenbar auch den Schweizer Unternehmer und Spitzenpolitiker der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP), Christoph Blocher. Dies behauptet jedenfalls ein Athener Journalist. Wie der Reporter Makis Triantafyllopoulos kürzlich in seiner Sendung "Zougla" im privaten Athener Fernsehsender "Extra 3 TV" enthüllt hat, gehe dies aus einem Papier mit handschriftlichen Notizen von Tsochatzopoulos hervor.
Auf dem Blatt ist ganz oben unter dem griechisch geschriebenen Wort "Zahlungen" ("Pliromes") sowie dem Vermerk "2007, Weihnachten" ("2007, Christougenna") der Name "Blocher" in lateinischen Großbuchstaben und daneben die Zahl "2,5" aufgeführt.
Triantafyllopoulos zufolge handele es sich bei dem Zahlungsempfänger um Christoph Blocher, den damaligen Chef des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments. Blocher, 72, derzeit amtierender SVP-Vizepräsident, sei dem Schriftstück zufolge damals mit 2,5 Millionen Euro bestochen worden. Ziel von Tsochatzopoulos’ sei es dabei gewesen, eventuell eingehende Rechtshilfeersuchen aus Athen betreffend Bankkonten in der Schweiz mit Tsochatzopoulos-Bezug zu blockieren.
Neben Blocher seien 2008 laut besagtem Papier auch drei Minister der damaligen Athener Regierung unter dem konservativen Regierungschef Kostas Karamanlis von Tsochatzopoulos bestochen worden - mit insgesamt 3,5 Millionen Euro. "Die Zahlungen an die Athener Minister dienten offenbar dazu, zu verhindern, dass allfällige Rechtshilfeersuchen von Athen überhaupt an die Schweiz gestellt werden", so Triantafyllopoulos auf Anfrage der "Wiener Zeitung".
Schutz vor Haft und Prozess scheinbar um jeden Preis
Tsochatzopoulos habe zu jenem Zeitpunkt offensichtlich alles versucht, eine Verhaftung und einen Prozess gegen ihn abzuwenden, so Triantafyllopoulos. Dass es sich bei dem Blocher zugeordneten Betrag um 2,5 Millionen Euro handele, sei laut Triantafyllopoulos "aus den übrigen, ihm vorliegenden Dokumenten aus dem persönlichen Archiv von Tsochatzopoulos ersichtlich". Denn der Ex-Minister sei stets darauf bedacht gewesen, das Wort Millionen nicht zu schreiben. Christoph Blocher war am Montag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Tsochatzopoulos hatte vor Gericht alle Vorwürfe bestritten. Der Prozess hat im krisengebeutelten Griechenland eine hohe Symbolkraft. Er gilt als Meilenstein im Kampf gegen die Korruption in Reihen der einheimischen Polit-Elite. Feststeht jedenfalls: Tsochatzopoulos, der ehemals omnipotente Spitzenpolitiker der Sozialisten, der es im Jahre 1996 sogar fast zum Pasok-Vorsitzenden und damit zum Ministerpräsidenten geschafft hatte und anschließendvon Premier Kostas Simitis mit dem Posten des Verteidigungsministers vertröstet wurde, ist in einem anderen Gerichtsverfahren bereits am 4. März dieses Jahres wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von acht Jahren und einer Geldstrafe in Höhe von 520.000 Euro verurteilt worden. Tsochatzopoulos’ Ruf war also bereits vor dem zweiten Prozess irreversibel ramponiert.