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Seit 2005 ist das österreichische Insiderrecht breiter und auch wesentlich strenger gefasst. Grundlage dafür war eine EU-Richtlinie. | Eine der Neuerungen neben einer Höchststrafe von fünf statt zwei Jahren Haft: Als Insiderhandel gilt auch, wenn aus dem Geschäft an der Börse unmittelbar kein finanzieller Nutzen gezogen wird, kurzfristige Gewinne also gar nicht realisiert werden.
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Nach geltender Rechtslage liegt Insiderhandel somit selbst dann vor, wenn dabei das Motiv der Bereicherung wegfällt. Das Gesetz verbietet jedes Börsengeschäft im Zusammenhang mit kursrelevantem Insiderwissen. Dabei ist egal, ob sich jemand aufgrund dieses Sonderwissens, das dem Markt nicht zur Verfügung steht, bereichert oder nicht.
Staatsanwalt beruft
Im Fall von OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer ist die Frage, ob kursrelevantes Insiderwissen bestanden hat, besonders brisant. Dass der Top-Manager am Donnerstagabend vom Vorwurf des Insiderhandels in erster Instanz freigesprochen wurde, heißt noch nicht, dass die Sache für ihn damit gegessen ist. Denn die Staatsanwaltschaft und die Finanzmarktaufsicht, die den Fall ins Rollen brachte, haben gegen den Freispruch voll berufen. Am Wiener Oberlandesgericht wird es demnach eine Neuauflage des Prozesses geben.
Die Berufung von Staatsanwaltschaft und Finanzaufsichtsbehörde ist jedenfalls nachvollziehbar. Zumal beide lediglich den Buchstaben des Gesetzes folgen, auf dem die Anklage gegen Ruttenstorfer aufgebaut hat.
In der Tat scheint das jetzige Urteil zu Gunsten des OMV-Chefs im Widerspruch zum geltenden Recht zu stehen. Denn zur Begründung des Urteils führte die Richterin an, dass für die Entscheidung von Ruttenstorfer, im März 2009 OMV-Aktien zu kaufen, nicht dessen - objektiv vorhandenes - Insiderwissen (zum Verkauf des MOL-Anteils der OMV an die russische Surgutneftegaz) ausschlaggebend gewesen sei, sondern einzig und allein das Vorstands-Vergütungsprogramm, für das er die Papiere erworben hat. Folgt man der Richterin, hatte Ruttenstorfer zum Zeitpunkt des Aktienkaufs demnach sehr wohl kursrelevantes Insiderwissen.
Umstrittenes Gesetz
Genau das ist nach jetzigem Recht aber verboten. Und deshalb ist der Freispruch gerade vor diesem Hintergrund einigermaßen überraschend. Wie das Gericht in zweiter Instanz entscheidet, wird zu einer spannenden Frage.
Ungeachtet dessen ist das relativ neue Insiderrecht selbst nicht nur unter Managern börsenotierter Firmen umstritten, sondern auch unter Juristen. Sie bemängeln vor allem die Fülle unbestimmter und vager Formulierungen des Gesetzes im Hinblick darauf, wann eine kursrelevante Insiderinformation als solche gilt.
Das Gesetz verlangt dafür das Feststellen "ausreichender Wahrscheinlichkeit". In den Augen der Kritiker ist das freilich problematisch, weil diese Wahrscheinlichkeit der Judikatur in der Praxis viel Spielraum zur Interpretation lässt und so vor allem Manager schnell in eine brandgefährliche Zone bringen kann.
Klarere Bestimmungen
Die offensichtlichen Schwächen des Insiderrechts dürften indes nicht so rasch behoben werden. Die Optik wäre fatal, würde die Politik schon jetzt handeln, ohne dass Ruttenstorfers Verfahren abgeschlossen ist. Wünschenswert sind nichtsdestotrotz klarere Regeln, die verhindern, dass Manager, wenn sie ins eigene Unternehmen investieren, mit einem Fuß bereits in der Kriminalität stehen.