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Rüttgers gegen Rest der Welt

Von Erich Reimann

Politik

Düsseldorf · Neun Wochen vor der Landtagswahl im einwohnerstärksten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen hat der CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers ein neues Wahlkampfthema entdeckt: | Ausländer. Erst wetterte der frühere Bonner Zukunftsminister letzte Woche gegen Pläne, 30.000 ausländische Computerexperten nach Deutschland kommen zu lassen, um den Fachkräftemangel in der | Computerindustrie zu beheben. Dann kündigte er an, nach einem Wahlsieg den muttersprachlichen Zusatzunterricht für 122.000 ausländische Schüler an Rhein und Ruhr abzuschaffen.


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Rüttgers steht unter Druck. Die Parteispendenaffäre hat die Wahlaussichten der CDU auch im bevölkerungsreichsten Bundesland dramatisch verschlechtert. Trotz Düsseldorfer Flugaffäre und "Rotem

Filz" sackte die Ruhr-CDU bei der jüngsten Umfrage von Infratest auf 32 Prozent ab, ein Verlust von fünf Prozent gegenüber der Wahl von 1995. Die Sozialdemokraten kämen auf 47 Prozent. Die Hoffnungen

auf einen Machtwechsel an Rhein und Ruhr nach mehr als 30 Jahren in der Opposition werden täglich geringer.

Das soll nun offenbar das Reizthema Ausländer ändern. Inspiriert ist die Offensive sichtlich von der erfolgreichen Kampagne des hessischen Wahlsiegers Roland Koch gegen die doppelte

Staatsbürgerschaft. Koch war es im Februar vergangenen Jahres gelungen, der rot-grünen Landesregierung in Hessen mit dem Thema Ausländer den sicher geglaubten Wahlsieg zu entreißen.

Auch Rüttgers polarisiert bewusst: "Ich halte die Vorstellung einer multikulturellen Gesellschaft für falsch", sagt er in Düsseldorf. Und: "Statt Inder an die Computer müssen unsere Kinder an die

Computer." Es gehe nicht nur um 30.000 Spezialisten, sondern · die Familien eingerechnet · um 120.000 bis 150.000 Menschen mit einem fremden kulturellen Hintergrund, warnt er vor der Einführung einer

Green Card.

Mit seinen Attacken gegen den muttersprachlichen Unterricht hat er sich schließlich ein Angriffsziel herausgesucht, das Ressentiments ansprechen mag, bei Fachleuten aber auf Kopfschütteln trifft. Der

muttersprachliche Unterricht wird in Nordrhein-Westfalen unter anderem in Türkisch, Griechisch, Italienisch, Spanisch und Russisch erteilt. Er umfasst in der Regel drei Stunden pro Woche, ist

freiwillig und wird neben dem normalen Unterricht erteilt. Inhalt des Unterrichts sind das Erlernen der Muttersprache sowie die Vermittlung von kulturellem und landeskundlichem Wissen über die

Heimat. Der Unterricht fördere eine "multikulturelle Gesellschaft" statt die Integration der Kinder in die deutsche Gesellschaft zu unterstützen, kritisierte der Unionspolitiker.