Zum Hauptinhalt springen

"S21" auf Österreichisch

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Die aktuelle Schuldebatte hat durchaus das Zeug, zu einem österreichischen "S21" zu werden. Unter dem Kürzel läuft in Deutschland der Bürgerprotest gegen den Bau des neuen Kopfbahnhof-Projektes Stuttgart 21 (kurz: S21) - der von der dortigen Regierung stur befürwortet wurde.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In Österreich könnte das zivilgesellschaftliche 21. Jahrhundert durch die Schuldebatte eingeläutet werden. Der Bestemm der Landeshauptleute der Volkspartei, die Lehrer in ihre Kompetenz zu bekommen, hat eine breite Ablehnungsfront geschaffen. Industrie und Arbeiterkammer, katholische Bildungsvereine und Attac, Elternvereine und Lehrervertretungen - sie alle sind gegen die Pläne und sagen das auch. Auch das von Hannes Androsch angestoßene Bildungsvolksbegehren stößt bei sehr vielen Menschen auf reges Interesse. Es ist ein Ventil, um die Unzufriedenheit mit Inhalt und Qualität der Debatte auszudrücken.

Viele Politiker, vor allem Landeshauptleute und Regierungsmitglieder, unterschätzen derzeit noch den Grant der Eltern (aber auch Großeltern). Ein verparteipolitisiertes Bildungssystem - eingebettet in ein starres Lehrer-Dienstrecht - gefällt vielen nicht mehr. Tatsächlich ist die "Kundenorientierung" in der Schuldiskussion nicht besonders ausgeprägt. Den Landeshauptleuten geht es um Machterweiterung (sie wollen die Lehrer-Jobs vergeben), der Gewerkschaft geht es um den Erhalt des Dienstrechtes. Um die "Kunden" der Schule, den Kindern und Jugendlichen, geht es nur am Rande.

Natürlich stimmt der Satz, dass Österreich zu einer Wissensgesellschaft werden muss. Zugangsbeschränkungen zu diskutieren, erscheint dabei nicht gerade logisch. Natürlich stimmt der Satz, dass die soziale Durchlässigkeit bei der Bildung höchst verbesserungsfähig ist: Manche Bildungsreformen der 1970er erscheinen heute wieder revolutionär. Also hat es seither keinen, oder einen zu geringen, Fortschritt gegeben.

Also formiert sich der zivilgesellschaftliche Widerstand gegen eine Schuldebatte, die mit dem wirklichen Leben immer weniger zu tun hat. Wenn die Politik keine inhaltlichen Vorschläge zusammenbringt (wie beispielsweise eine größere Schulautonomie), kann "S21" auf Österreichisch daraus werden. Wäre eigentlich gar nicht so schlecht . . .