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Säbelrasseln am Kaspischen Meer

Von Peter Bruder

Politik

Die Anrainerstaaten rund um das Kaspische Meer, dessen Grenzen und dessen wirtschaftliche Ausbeutung nach wie vor nicht durch einen rechtsgültigen Vertrag aller Küstenländer geregelt sind, haben die letzten Jahre zu einer massiven Aufrüstung genützt. Vor allem Aserbeidschan und zuletzt auch Kasachstan haben ihre Kriegsmarine verstärkt bzw. im Fall Kasachstans überhaupt erst ins Leben gerufen. So hat sich die Anzahl der Kriegsschiffe in den letzten zehn Jahren verdoppelt, ebenso die Zahl der Grenztruppen. Die USA, aber auch Russland mischen durch Waffenlieferungen kräftig mit.


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Die Region um das Kaspische Meer wurde gegen Ende letzten Jahres immer öfter als eines der möglichen zukünftigen Krisengebiete der Welt genannt. In der Sowjetzeit waren die UdSSR und der Iran die einzigen Militärmächte am kaspischen Meer. Auch wenn der Iran mit einer kleinen Flotte Präsenz zeigte, gab es doch keine Frage, dass die kaspische Flotte der Russen die dominierende militärische Kraft war. Der Zerfall der Sowjetunion erhöhte die Anzahl der an das Kaspische Meer angrenzenden Staaten auf fünf. Aserbeidschan, Kasachstan und Turkmenistan kamen als unabhängige und eigenständige Staaten dazu. Russland jedoch erbte den Großteil des militärischen Gerätes, inklusive fast der ganzen Flotte, was die anderen Staaten in eine sehr ungünstige militärische Position brachte.

In der zweiten Hälfte der 90er Jahre verstärkten sich die Meinungsverschiedenheiten der Anrainerstaaten über die Aufteilung des ressourcenreichen Kaspischen Meeres. Bis heute gibt es keine für alle Staaten akzeptable gesetzliche Regelung. Dies führte zu Grenzstreitigkeiten (und sogar zu einem kleinen militärischen Zwischenfall vor zwei Jahren zwischen Iran und Aserbeidschan) und zu einem Wettstreit um das Eigentum an mehreren Ölfeldern. Abgesehen von politischen und militärischen Überlegungen, ist es vor allem die Furcht, diese potenziellen Einnahmequellen an die Nachbarn zu verlieren, die einen Anreiz für die kaspischen Staaten darstellt, ihre militärische Stärke zu steigern sowie die allgemeine Instabilität.

Der Iran und Turkmenistan wollen, dass das kaspische Meer gleichmäßig auf alle fünf Anrainerstaaten aufgeteilt wird. Russland, Kasachstan und Aserbeidschan hingegen befürworten, dass das Gewässer entsprechend der Länge der Küstenabschnitte der jeweiligen Staaten aufgeteilt wird. Sollten sie sich durchsetzen, wird Russland einen großen Teil der Bodenschätze erhalten. Die von den Staaten eingesetzte Arbeitsgruppe zur Klärung der Grenzstreitigkeiten trifft sich wieder Anfang Juli in Moskau, mit wenig Aussicht, diesmal eine Einigung zu erreichen.

Massives Wettrüsten aller Anrainer-Staaten

Besondere Probleme gab es zwischen Turkmenistan und Aserbeidschan über einige große Ölfelder unter aserbeidschanischer Kontrolle. Diese Dispute haben nicht nur das diplomatisch-politische Klima dieser beider Staaten nachhaltig geschädigt, sondern auch ein Wettrüsten in Gang gesetzt. Turkmenistan reagierte nämlich auf den Konflikt mit dem Kauf von zwei amerikanischen Militärbooten durch Aserbeidschan, indem es selbst einige bewaffnete Schnellboote von der Ukraine kaufte. Im Jahre 2001 gab es Streitigkeiten zwischen dem Iran und Aserbeidschan über ein noch nicht entwickeltes Ölfeld, die fast in eine begrenzte kriegerische Auseinandersetzung gemündet hätten. Luftwaffe und Marine beider Staaten waren in Alarmzustand versetzt worden.

Die drei genannten Staaten, aber auch Russland und Kasachstan, haben seither versucht, ihre militärische Stärke zu erhöhen. Dies geschah zum Teil auch mit Hilfe von Staaten außerhalb der Region, z. B. der USA (Aserbeidschan) und der Ukraine (Turkmenistan).

In den letzten Jahren haben die USA offen zugegeben, dass die Region rund um das kaspische Meer von vitalem strategischem Interesse für sie ist. Dies wurde auch in der offiziellen US-Energie-Doktrin fest gehalten. US-Unternehmen besitzen 16 Prozent der kaspischen Ölreserven und 11,4 Prozent der Gasreserven. Wenn man US-britische Joint Ventures dazu rechnet, kontrollieren Washington und London zusammen 27 Prozent der Öl- und 40 Prozent der Gasreserven in diesem Raum.

Die USA fühlen sich für die Region zuständig. Erst vor kurzem stieß ein chinesischer Versuch, einen größeren Anteil an Öl- und Gasprojekten in Kasachstan auszuverhandeln, auf erbitterten Widerstand der USA. Kasachstan kann seine eigene Energiepolitik nicht mehr steuern: 73 Prozent der nachgewiesenen Ölreserven werden von westlichen Gesellschaften kontrolliert. Das Interesse der amerikanischen Regierung am kaspischen Öl liegt auch darin begründet, dass weder Kasachstan, noch Aserbeidschan oder Turkmenistan Mitglieder der OPEC sind. Energielieferungen dieser Länder sind infolgedessen weniger abhängig von der Preispolitik des Öl-Kartells.

USA stärken ihre Position rund ums Kaspische Meer

Daher sind die USA dabei, ihre Positionen rund um das kaspische Meer zu verstärken. Der Regimewechsel in Georgien, die Aussicht auf die Stationierung mobiler Truppen auf der Apsheron-Halbinsel, die Unterstützung Kasachstans und Aserbeidschans bei der Aufrüstung ihrer Flotten und der Bewachung ihrer maritimen Ressourcen, und auch die Organisation gemeinsamer militärischer Manöver mit den Staaten der Region - das sind nur einige von Washingtons Plänen, um seine Stellung am kaspischen Meer zu verbessern. Die Aktionen der USA richten sich auch indirekt gegen den Iran und Russland, welche die Hauptgegner einer amerikanischen Expansion in der Region sind.

Die USA benützen bereits Flughäfen in Aserbeidschan und Georgien für anti-terroristische Operationen in Afghanistan und im Irak. Eine weitere Nutzung dieser Flughäfen in diesem Jahr wird nicht ausgeschlossen, auch für Aufklärungsflüge nahe der iranischen und russischen Grenze, wie sie auch schon im Frühling letzten Jahres durchgeführt wurden.

Die USA werden jedoch heuer wahrscheinlich noch nicht damit beginnen, ihre Soldaten von Europa nach Aserbeidschan zu verlegen. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld kündigte während seines Besuchs in Aserbeidschan im Dezember 2003 an, dass es noch zu früh sei, um über die Verlegung mobiler Truppen zu reden, da die Konsultationen mit den Partnern der USA immer noch im Gange sind und noch kein fertiges Konzept vorliegt. Der US Staatsskretär im Außenministerum, Richard Armitage hat während seines Besuches in Baku Anfang April neuerlich übe den Transfer von US-Truppen nach Aserbeidschan gesprochen, wobei beide Seiten nicht von Militärbasen, sondern bewusst vage von "mobilen Einheiten" reden.

Die militärische Unterstützung, welche die USA wichtigen Staaten in der Region zukommen läßt, stärkt zwar die US-Position, könnte aber auch die Stabilität der Region gefährden und Konfliktpotenziale schaffen. Die amerikanische Militärhilfe an Aserbeidschan, Kasachstan und Turkmenistan wird für professionelle militärische Ausbildung, aber auch zum Kauf amerikanischer Waffen verwendet.

Wenig verwunderlich daher, dass der Sonderbeauftragte des russischen Präsidenten für die Kaspische Region, Viktor Kaljuschnij, sich jüngst ungewöhnlich offen gegen eine Demilitarisierung in der Region ausgesprochen hat - angesichts der "militärischen Präsenz der USA." Dafür sei die Zeit vielleicht in "10, 20 oder 30 Jahren reif."

Alle Anrainerstaaten des kaspischen Meeres haben schon aufgerüstet oder beabsichtigen in Rüstung (Marine, Luftwaffe, amphibische Einheiten, Marine-Infanterie) zu investieren; sie erhöhen damit automatisch das Risiko einer gewaltsamen Auseinandersetzung. Während der letzten 10 Jahre hat sich die Gesamtzahl der Kriegsschiffe am kaspischen Meer fast verdoppelt und die Verteidigungsinfrastruktur an der Küste wird immer noch ausgebaut.

Schiffe von der Ukraine, Hubschrauber von USA

Für jeden Anrainerstaat am Kaspischen Meer ließe sich ein umfangreiches Kompendium über die Aufrüstung in den letzten Jahren zusammenstellen. Nehmen wir als Beispiel für das allgegenwärtige "Säbelrasseln" die zentralasiatische Republik Kasachstan. Die Seestreitkräfte der kasachischen Armee werden gerade erst aufgebaut. Die Mannschaftsstärke der kasachischen Flotte soll von 3000 auf 5000 erhöht werden.

Mehrere Boote der Klassen "Grif" und "Kalkan" wurden bzw. werden von der Ukraine gekauft. Am 19. Februar wurde ein Fünf-Jahres-Plan für die militärische Kooperation zwischen Kasachstan und den Vereinigten Staaten veröffentlicht. Nach kasachischen Angaben ist dies das erste Dokument mit einer solchen Tragweite, das die USA mit einem zentralasiatischen Staat abgeschlossen haben.

Es behandelt nicht nur den gemeinsamen Kampf gegen den internationalen Terrorismus, sondern auch die Verstärkung der kasachischen Luftabwehr, Aufbau einer militärischen Infrastruktur in der kaspischen Region, als auch die Lieferung von amerikanischem Militärgerät. Die kasachische Armee wird Jeeps, Helikopter und Flugzeuge von den USA erhalten. Auch Patrouillenschiffe und Radaranlagen sollen verstärkt werden, um Kasachstans Land- und Meeresgrenzen besser kontrollieren zu können. Auch die NATO liefert technische Hilfe.

Ein amerikanisches Ausbildung- und Trainingsprogramm ist jedoch derzeit ausgesetzt, bis das US-Außenministerium feststellt, dass Kasachstan Fortschritte bei den wirtschaftlichen und politischen Reformen gemacht hat. Kasachstan wird autoritär regiert und oft für Menschenrechtsverletzungen kritisiert. Die USA loben die kasachische Regierung jedoch auch für seine Unterstützung beim Kampf gegen den Terrorismus. Ein Konsortium von westlichen Ölgesellschaften traf am 25. Februar eine Vereinbarung mit der kasachischen Regierung, von der man erwartet, dass sie den Weg zur Erschließung des Kashagan-Ölfeldes bis 2008 ermöglichen wird. Kashagan ist das größte noch zu entwickelnde Ölfeld Kasachstans. Die Regierung schätzt die Kosten für seine Erschließung auf $29 Milliarden. Am selben Tag hielt US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld Gespräche mit der kasachischen Regierung über militärische Operationen zum Schutz der Ölreserven des kaspischen Meeres.

Nur Russland und der Iran haben derzeit nennenswerte Flotten im kaspischen Meer, während Kasachstan seine Öl-Reserven vorerst militärisch nicht schützen kann. US-Vertreter sagen, dass sowohl Washington als auch Moskau mit Kasachstan zusammenarbeiten, um sich gegen den Iran verteidigen zu können. Die längste Grenze - an Land und im Wasser - hat Kasachstan jedoch mit der Russland, mit dem man offiziell verbündet ist.