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Sach- statt Machtpolitik

Von Ernest G. Pichlbauer

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Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Die Stimmung als aufgeheizt zu beschreiben, ist ein Euphemismus, blanker Hass noch eine Übertreibung. Sachlich ist die Gesundheitspolitik keinesfalls.


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Die Spannungen zwischen den Machtblöcken der Gesundheitspolitik wachsen. Das ist die Folge des Verteilungskampfes, der - nach fetten Jahren, in denen Konflikte mit Geld "gelöst" wurden - jetzt heftig aufzutreten scheint. Und weil unser System seit Jahrzehnten einer Bereinigung der Kompetenzen harrt, mehr noch, Kompetenzstreitereien durch immer mehr und unsaubere, dafür aber oft verfassungsmäßig abgesicherte Gesetze geregelt wurden, präsentiert sich das System schwer sklerotisch und steht vor dem Infarkt. Jede Entscheidung, jede Veränderung und, vor allem natürlich, jedes kleine Reförmchen bringen das Gefüge durcheinander.

Sachpolitik weicht Machtpolitik. Es geht nur noch um Einfluss und die größten Stücke vom Kuchen. Und wie bei Machtkämpfen üblich, sind diese mehr von Aggressivität denn Vernunft geprägt. Die Ärztekammerzeitschrift "DoktorInWien" zeigte im Dezember Minister Alois Stöger mit einer Schaufel, darunter stand "Millionengrab Elga". Im Februar stand unter dem Gesicht eines geknebelten Mannes mit aufgerissenen Augen: "Der geknebelte Arzt" (im Subtitel wurde gewarnt, dass durch evidenzbasierte Medizin der Arzt "zum bloßen Vollzugsorgan zentral festgelegter Behandlungsdirektiven" werde).

Wenn eine Kammer, die als verfassungsrechtlich geschützter Interessenvertreter auftritt, zu solchen Bildern greift, fragt man sich: Haben die das nötig? Nun, so wie es aussieht: Ja! Denn gegen wen findet diese an Elga & Co. aufgehängte Mobilmachung statt? Es sind das Gesundheitsministerium und die Länder beziehungsweise die Interesseneinflüsse, die auf die Entscheidungsträger ausgeübt werden. Seit Jahren herrschen dort Intransparenz und Mauschelei, und statt offener Diskussion zieht man Geheimverhandlungen vor.

Statt demokratische Institutionen zu bemühen, übernimmt die Landeshauptleutekonferenz (die in keinem Gesetz verankert ist) das Ruder. Und als ob das nicht reichte, werden beschlossene Gesetzte schlicht nicht eingehalten. Im Rahmen des jetzigen Sparpakets versprechen die Länder, Dinge umzusetzen, die sie gesetzlich eigentlich seit Jahren umgesetzt haben müssten - ohne dass ihnen Konsequenzen oder Sanktionen drohen würden!

All das führt zu einem unwürdigen Schauspiel, dem sich auch eine Kammer nicht entziehen kann und das wohl immer weiter eskalieren muss. Sachpolitik tritt dabei immer weiter in den Hintergrund.

Leider habe ich - unabsichtlich mit isolierten Zitaten aus einer emotional geladenen, privat gedachten Facebook-Diskussion - auch selbst zur Eskalation beigetragen, da mein Vergleich der Kammer mit historischen Diktaturen, den Weg in die Öffentlichkeit fand. Ich bereue das zutiefst. Mit solchen vollkommen unpassenden Vergleichen verletzt man Menschen, die es nicht verdienen, und ich möchte mich dafür in aller Form entschuldigen.

Wenn das zur Deeskalation beiträgt, wäre es schön. Ich hoffe auf eine Versachlichung, bin aber sehr pessimistisch. Die Fronten werden immer unversöhnlicher, und ich kann nirgendwo erkennen, dass jemand zurücksteckt.