Heute sagt Martin Schlaff als letzter Zeuge zu den Telekom-Ostgeschäften aus.
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Wien. Die Querelen dürften sich gelegt haben. Am Mittwoch hat die Opposition die erste Sondersitzung beantragt, mit der die Untersuchungen im Korruptions-U-Ausschuss im Plenum fortgeführt werden sollen: Umweltminister Nikolaus Berlakovich wird am kommenden Montag zu den Zahlungen seines Ministeriums unter anderem an die Bauernzeitung befragt werden. Weitere Sondersitzungen soll es zur Inseratenaffäre und zu den Telekom-Ostgeschäften geben. Zur Telekom ist heute auch der Unternehmer Martin Schlaff als letzter Zeuge in den U-Ausschuss geladen. Eine vorläufige Bilanz des Gremiums zieht Strafrechtler Helmut Fuchs.
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"Wiener Zeitung":Wo sind für Sie die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Korruptionsuntersuchungsausschuss?Helmut Fuchs: Man kann mit dem Strafrecht nur Extremfälle erfassen. Ansonsten muss es klare Regeln in Politik und Wirtschaft darüber geben, was im Zusammenhang mit der Finanzierung von politischen Parteien erlaubt ist und was nicht. Etwa muss die Frage von Inseraten außerhalb des Strafrechts geregelt werden: Es muss klar sein, wann ein Funktionär oder Minister inserieren darf.
Das Spannungsverhältnis zwischen strafrechtlicher und politischer Verantwortung war auch im U-Ausschuss ein Thema. Wie sinnvoll war es, das Gremium parallel zu den Ermittlungen laufen zu lassen?
Ein U-Ausschuss kann auch die strafrechtlichen Ermittlungen stören. Es wäre besser, zuerst das Ergebnis eines anhängigen Strafverfahrens abzuwarten oder zumindest die Strafverfolgungsbehörden eine bestimmte Zeit alleine ermitteln zu lassen.
Wurden zum Beispiel bei der Parteienfinanzierung ausreichend politische Konsequenzen gezogen?
Offenlegungspflichten sollte man auch wirksam absichern. Das ist nicht ausreichend geschehen, es gibt keine strafrechtlichen oder schwerwiegenden finanziellen Sanktionen gegen die verantwortlichen Personen. Die Parteien müssen aber auch ausreichend durch die öffentliche Hand finanziert werden, sonst leistet man irgendwelchen verdeckten Finanzierungen Vorschub.
Wie beurteilen Sie die in Gesetzesform gegossenen Ergebnisse des U-Ausschusses?
Wir haben ein verschärftes Korruptionsstrafrecht, in dem auch Verhaltensweisen enthalten sind, die bisher nicht darin zu finden waren, insbesondere das "Anfüttern", also das Geben und Nehmen ohne konkreten Zusammenhang mit einem Amtsgeschäft. Alle öffentlichen Unternehmungen sind nun im Korruptionsgesetz, wir haben eine Registrierungspflicht im Lobbyistengesetz und Transparenzregeln bei den Parteienfinanzierungen. Das ist ein wesentlicher Fortschritt, der auch mit der Arbeit des U-Ausschusses zusammenhängt, also der politischen Kontrolle zu verdanken ist.
Wie beurteilen Sie die letzten eineinhalb Monate im U-Ausschuss?
Ich sehe Untersuchungsausschüsse bei allen Verdiensten auch sehr kritisch, weil sie in der Regel nicht unbedingt der sachlichen Aufarbeitung dienen, sondern eine politische Bühne für Parteien sind, vor allem vor Wahlen. Daher ist mir eine Aufarbeitung durch die Strafgerichte grundsätzlich lieber. Dieser U-Ausschuss ist aber verhältnismäßig sachlich abgelaufen und hat daher auch gute Ergebnisse gebracht.
Hätte Kanzler Werner Faymann geladen werden sollen oder nicht?
Ich wüsste nicht, was da hätte herauskommen sollen, was man nicht auf andere Art auch hätte klären können. Ich habe Verständnis dafür, dass die Mehrheit irgendwann sagt, dass genügend untersucht wurde. Strafrechtliche Untersuchungen laufen ohnehin.
Der Reigen an Korruptionsfällen aus der Politik ist zuletzt in den Birnbacher-Urteilen gegipfelt. Kann die Justiz hier steuernd eingreifen?
Das Wesentliche ist, dass über die Korruptionsstaatsanwaltschaft eine zentrale Verfolgung durch unabhängige Personen stattfindet, die nicht von lokalen Ereignissen abhängt. Vier statt fünfeinhalb Jahre Haft für Josef Martinz hätten genügt. Aber das Gericht hat mit dem strengen Urteil deutlich gemacht, dass die Tätigkeit in einem öffentlichen Amt ein Erschwernisgrund ist. Man kann sich nicht darauf berufen, dass etwas in einem System üblich ist, sondern es kommt die persönliche Verantwortung zum Tragen. Das sollte ein Signal an die Politiker sein, selbst zu denken.
Kommt dieses Signal an?
Die Politiker werden sich zunehmend ihrer persönlichen Verantwortung bewusst - wenn sie das nicht tun, werden die Gerichte entsprechend vorgehen.
Justizministerin Beatrix Karl will das Strafgesetzbuch reformieren. Wo sehen Sie Reformbedarf?
Es geht um das Verhältnis der Strafen bei Gewaltdelikten und reinen Vermögensdelikten. Generell finde ich, dass in Österreich die gewaltlos begangenen Vermögensdelikte eher zu streng bestraft werden. Auch kann man sich bei einzelnen Tatbeständen überlegen, ob sie klarer formuliert werden können oder einzelne vielleicht sogar entbehrlich sind. Im Übrigen aber haben wir ein gutes Strafgesetz. Ich sehe keinen besonders großen Reformbedarf.
Zur Person
Helmut
Fuchs
Fuchs ist Vorstand des Instituts für Strafrecht und Kriminologie am Wiener Juridicum, seit 2009 ist er Senatsvorsitzender.