Viel Einfluss, wenig Kontrolle? | Befangenheit und Überlastung müssen angezeigt werden. | Weiterbildung wird gefordert. | Wien. Ihr Einfluss sollte nicht unterschätzt werden: Sachverständige spielen nicht nur in Gerichtsverfahren, sondern auch in Schiedsverfahren eine große Rolle. Ihre Gutachten sind gewichtige Beweismittel. Doch wer kontrolliert eigentlich die Qualität der Gutachten? Oder wird einem gerichtlich beeideten Sachverständigen einfach vertraut?
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Unabhängige Gehilfen
Als Gehilfen des Richters tragen Sachverständige mit ihrem Fachwissen zur Wahrheitsfindung bei. Sie sind in ihrer Funktion unabhängig und unparteilich. Das bedeutet allerdings nicht, dass ihnen blind vertraut wird. In Österreich kann letztendlich immer noch der Richter entscheiden, ob er ein Gutachten für schlüssig hält oder ob er noch ein weiteres einholt. Diese richterliche Entscheidungsfreiheit hält Harald Krammer, der Präsident des Oberlandesgerichts in Wien, auch für die beste Qualitätskontrolle.
Bei der kommissionellen Prüfung, die man bestehen muss, um in die Liste der Gerichtssachverständigen aufgenommen zu werden, könne schließlich nur das Wissen und nicht die persönliche Einstellung überprüft werden, meint Krammer gegenüber der "Wiener Zeitung".
Im Kreuzverhör
Diese Ansicht teilt auch Matthias Rant, der Präsident des Hauptverbands der gerichtlich zertifizierten Sachverständigen. "Ein Sachverständiger muss im Kreuzverhör der Anwälte bestehen", weiß er. Neben der fachlichen Seite sei deshalb das Auftreten besonders wichtig. Und das könne man bei der Prüfung "nicht hundertprozentig beurteilen". Dort werden neben dem fachlichen Wissen auch die Kenntnisse über das Verfahrensrecht abgefragt. Diese sind wichtig, da sich der Sachverständige an die Prozessordnung halten muss. So darf er zum Beispiel keine Rechtsfragen lösen.
Letztendlich zeigt sich deshalb die Qualität eines Sachverständigen erst in der Praxis und wird durch Mundpropaganda unter den Richtern gefestigt. "In den Verfahren werden die Gutachten auf Herz und Nieren geprüft", erzählt der gerichtlich beeidete Sachverständige Matthias Kopetzky im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die meisten Parteien hätten nämlich Berater, die den Gerichtssachverständigen in die Mangel nehmen würden. Wenn eine Partei dann auch noch ein Privatgutachten vorlegt, das dem Gutachten des Gerichtssachverständigen widerspricht, muss sich dieser "sinnvollerweise damit auseinander setzen", erklärt Verbandspräsident Rant, auch wenn das gesetzlich nirgends verankert sei.
Laut Rant kommen Privatgutachten häufig in der Bauwirtschaft vor. Er kennt auch Fälle, in denen "eine ganze Reihe an privaten Gutachtern angetanzt ist, um das Gerichtsgutachten zu zerlegen". Das zieht das Verfahren in die Länge und kann natürlich nur dann passieren, "wenn Geld keine Rolle spielt".
Haftungsprozesse
Auch Kopetzky weiß, dass die Parteien gerne alle Register ziehen, um den Gerichtssachverständigen anzuschwärzen: "Im Strafverfahren gibt es die Tendenz, Sachverständige zu klagen, um ihre Befangenheit herbeizuführen", weiß er aus Erfahrung. Laut Kopetzky wird dieses Mittel mit Vorliebe dann angewendet, wenn der Instanzenzug ausgeschöpft ist und man sich durch die Möglichkeit, das Gerichtsgutachten im Haftungsprozess wegen der Befangenheit des Sachverständigen zu kippen, quasi eine zusätzliche Instanz schafft. Um sich vor den möglichen Folgen eines solchen Prozesses zu schützen, müssen gerichtliche Sachverständige daher eine Pflichtversicherung in der Höhe von 400.000 Euro abschließen.
Ständige Überprüfung
Zur Qualitätssicherung müssen sich die Gerichtssachverständigen in gewissen Zeitabständen immer wieder rezertifizieren lassen. Bei diesen Überprüfungen, die zuerst fünf Jahre nach der Ersteintragung in die Sachverständigenliste, dann alle zehn Jahre stattfinden, müssen die Sachverständigen neben Weiterbildungsmaßnahmen nachweisen, in welchen Fällen sie als Gutachter tätig waren. Die Zertifizierungsstellen - das sind die jeweiligen Präsidenten der Landesgerichte - überprüfen diese Fälle dann stichprobenartig und befragen die betroffenen Richter über die Gutachtertätigkeit des Sachverständigen. Entscheidend dabei ist, ob die jeweiligen Gutachten als Grundlage für die richterliche Entscheidung herangezogen wurden und ob sie auch in der Instanz gehalten haben.
Kopetzky ist überzeugt, dass die Maßnahmen ausreichen, um die Qualität der Gutachter zu sichern. Natürlich hätten Sachverständige viel Eigenverantwortung, meint er, aber "das ist bei allen anderen Berufen auch so". Wenn sich der Sachverständige überlastet fühlt, müsse er von sich aus die Aufträge des Gerichts ablehnen, so Kopetzky. Auch wenn er seine Unabhängigkeit gefährdet sieht, ist der Sachverständige verpflichtet, das anzuzeigen. Sonst würde man zwar "nicht automatisch aus der Liste fliegen", meint Kopetzky. Ist der Ruf jedoch einmal ruiniert, würden die Aufträge ausbleiben.
Bei Bedenken über die Qualität des Sachverständigen gibt es darüber hinaus noch die Möglichkeit, die Rezertifizierung schon früher durchzuführen als gesetzlich vorgesehen, erzählt Krammer.
"Schneiden gut ab"
Insgesamt findet Krammer, "dass das heimische System gut funktioniert" und mit anderen zentraleuropäischen Systemen vergleichbar ist. Von dem angloamerikanischen System, in dem die Sachverständigen Zeugen sind und von den Parteien beigezogen werden, hält er wenig. Dort würden die Gutachter den Richtern ihre Entscheidungen meist erschweren, statt wie hierzulande eine unabhängige Unterstützung für das Gericht zu sein. Auch Rant findet, dass die heimischen Sachverständigen im Vergleich zu anderen Ländern "gut abschneiden".
Besonders stolz ist er, dass in Österreich "alle Fachgebiete - angefangen vom Wirtschaftsprüfer bis zum Ziviltechniker - unter einem Hut" im Sachverständigen und Dolmetschergesetz geregelt sind.
Der Verdienst eines Sachverständigen bemisst sich generell nach dem, was er für seine außergerichtliche Tätigkeit verrechnet.