Neues Gesetz soll bessere persönliche Betreuung bringen. | Abbau von Sachwalterschaften. | Langfristige Budgetentlastung. | Wien. Hubert P. ist alt. Er leidet an Alzheimer. Seine Wohnadresse, seine Kontonummer, seine Bank hat er längst vergessen. Die anfallenden Rechnungen für den Friseur oder die Fußpflege werden vom Pensionisten-Wohnhaus zum Sachwalter gefaxt. Dieser entscheidet darüber, was der Pensionist braucht und was nicht, besucht - also gesehen - hat er ihn allerdings noch nie.
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Ein Beispiel, das für viele der rund 50.000 Besachwalteten in Österreich steht. "Wir sind froh, dass es Sachwalter gibt. Aber wir würden uns mehr Kontakt zwischen Sachwalter und Betreuten wünschen", sagt Martin Krexner, Direktor des Pensionisten-Wohnhauses "Haus Wieden" zur "Wiener Zeitung". Man könne Menschen nicht vom Schreibtisch aus administrieren, meint er.
Zum Sachwalter bestellt wird - je nach Bedürfnis - eine Privatperson, Notar, Rechtsanwalt oder ein Vereinssachwalter. Es gibt vier Vereine in Österreich, die vom Justizministerium subventioniert werden und sowohl hauptberuflich angestellte als aus ehrenamtliche Sachwalter zur Verfügung stellen.
Geschäfte des Alltags
Einen Sachwalter bekommt jemand, der nicht mehr in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten für sich umzusetzen. Er ist eine Art Schutz vor Willkür - auch vor der eigenen Familie. Nur würden oft ehrenamtliche Mitarbeiter die Arbeit - wie etwa den Kauf einer Matratze - erledigen, und die Sachwalter bekämen nur für ein Fax "oft nicht wenig Geld", meint die ehrenamtlich tätige Anna S. Die Sachwalterschaft ist in Österreich ein heikles Thema. Anders als etwa in Deutschland, wo der Bund für die Bezahlung des Sachwalters aufkommt, wird der Sachwalter hier vom Besachwalteten selbst bezahlt - sofern Einkommen oder Vermögen vorhanden ist.
Laut Volksanwaltschaft gibt es derzeit 200 Beschwerden in Zusammenhang mit Sachwalterschaften. "Dann etwa, wenn sich Patienten nicht besachwalten lassen wollen oder, wenn sie sich darüber beschweren, dass sich der Sachwalter nicht um sie kümmert", heißt es aus dem Büro von Volksanwalt Ewald Stadler. Derzeit gebe es in Wien einige große Rechtsanwaltskanzleien, die pro Kanzlei bis zu 3000 Sachwalterschaften hätten. Eine persönliche Betreuung sei damit nicht möglich.
Abhilfe soll das am Mittwoch im Nationalrat beschlossene neue Sachwalterrechtsgesetz schaffen, das den Sachwalter dazu verpflichtet, zumindest einmal im Monat persönlichen Kontakt mit dem Betreuten aufzunehmen. Auch darf der Rechtsanwalt künftig nicht mehr als 25 Sachwalterschaften pro Kanzlei übernehmen. Für einen bekannten Wiener Rechtsanwalt ein Affront: "Das neue Gesetz ist unwirtschaftlich. Ich brauche vierzig bis fünfzig Sachwalterschaften, um eine Arbeitskraft zu bezahlen". Seine Patienten besucht er "so oft es benötigt wird". Das Ziel der Regierung sei für ihn klar: keine Sachwalterschaften mehr zuzulassen. Er gibt zu Bedenken, dass damit aber auch - zum Nachteil des Einzelnen - die Kontrolle wegfällt. Denn nach dem neuen Gesetz soll die Familie mehr Verantwortung übernehmen.
Klischee "Kassieren"
Mit dem Klischee, dass Anwälte nur "kassieren" würden, kann Vizepräsidentin der Rechtsanwaltskammer, Waltraude Steger, nichts anfangen. Im Gegenteil: In Oberösterreich etwa, wo sie selbst als Sachwalterin tätig ist, werde darauf geachtet, dass auch der Sachwalterverein Klienten mit Geld bekommt. Laut Steger erfolgt die Aufteilung Verein oder Anwalt nach dem Ausmaß der rechtlichen Probleme des Betreuten. "Die Auswahl erfolgt bei uns im Radel", so Steger. Der Anwalt kann nicht gezwungen werden, eine Sachwalterschaft zu übernehmen. Er kann diese jedoch nur dann ablehnen, "wenn ihm dies nicht zugemutet werden kann."
Mit dem neuen Gesetz hat die Regierung den Weg dafür geebnet, dass Sachwalterschaften wieder verstärkt von der Familie getragen werden. Für die Bestellung eines Angehörigen als Sachwalter soll kein Beschluss vom Richter mehr notwendig sein. Bei Geschäften des Alltags sollte es kein umständliches Verfahren mehr geben, sagt Ulrike Steinkogler vom Justizministerium. Bleiben soll allerdings der Weg zum Richter bei außergewöhnlichem Vermögen. Die Fälle, die die Kanzleien mit dem neuen Gesetz nicht mehr betreuen dürfen werden aufgeteilt: Zu Zwei-Drittel auf die Vereine, zu einem Drittel auf andere Rechtsanwälte.
Mit neu eingerichteten Clearing-Stellen am Gericht werden Gespräche angeboten, die helfen sollen, eine Sachwalterschaft erst gar nicht entstehen zu lassen. Langfristig erspart sich das Justizministerium dadurch hohe Gerichtskosten.