Washington - Der neue US-Außenminister Colin Powell trat mit seiner Nahost-Reise am Samstag erstmals auf die politische Weltbühne. Das Washingtoner Außenamt hat die viertägige Mission mit Stopps in Ägypten, Israel, im Palästinensergebiet, Jordanien, Syrien, Saudi-Arabien und Kuwait als "Tour zum Kennenlernen" beschrieben. Powell wolle sich mit den regionalen politischen Führungspersönlichkeiten bekannt machen und ausloten, welche Rolle die USA bei den Friedensbemühungen in Nahost spielen könnten.
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Der pensionierte General bewegt sich bei seiner Reise auf einem noch schwierigeren Terrain, als es ohnehin schon zu erwarten war. Denn Iraks Präsident Saddam Hussein reist sozusagen mit. Die amerikanisch-britischen Luftangriffe auf den Irak haben in der arabischen Welt kräftige Verstimmung ausgelöst. Haben die USA bei ihrem Werben für ein Festhalten an den UNO-Sanktionen gegen Bagdad von vornherein wenig Sympathien erwarten können, hat sich die Anti-Stimmung nach den Attacken noch verstärkt. Bevor der einstige Generalstabschef im Golf-Krieg vor zehn Jahren also darauf bauen kann, am Tour-Ende in Kuwait als Befreier gefeiert zu werden, erwarten ihn heikle Gespräche. Das bekam er gleich zum Auftakt in Ägypten zu spüren. Der dortige Außenminister Amre Mussa war es, der als Wortführer der arabischen Welt die Luftangriffe im Irak als "nicht akzeptabel" verurteilte.
Dabei ging es in Kairo noch um ganz andere, schwierige Themen, traf Powell dort doch erstmals mit seinem russischen Amtskollegen Igor Iwanow zusammen. Zeigte sich Moskau beim Thema nationale Raketenabwehr (NMD) etwas weniger harsch als vordem, hat die Enttarnung eines FBI-Agenten als Spion für Russland neue Belastungen erzeugt.
Syrien, das im Golfkrieg an der Seite der USA stand, hat die Luftangriffe ebenfalls scharf verurteilt. Damit steht Powells Bemühen, Präsident Bashar el Assad zu einem Stopp der syrischen Ölimporte aus dem Irak zu bewegen, unter keinem guten Stern.
Bei seinen Treffen mit dem neu gewählten israelischen Regierungschef Ariel Sharon und Palästinenserpräsident Yassir Arafat geht es für Powell vor allem ums Zuhören. Die US-Regierung unter George W. Bush hat wiederholt klar gemacht, dass sie Sharon erst einmal Zeit geben will, seine Ziele zu formulieren. Powell werde keine neuen Vorschläge mitbringen, sondern sich darauf beschränken, künftige Hilfestellung anzubieten, hieß es im US-Außenamt. Er werde auch Arafat zunächst um Geduld bitten und beide Seiten dazu aufrufen, mit einer Einstellung der Gewalt den Boden für neue Friedensbemühungen zu bereiten.
Die westlichen Verbündeten werden am kommenden Dienstag aus erster Hand vom Verlauf der Reise erfahren. Beim Treffen Powells mit seinen europäischen NATO-Kollegen in Brüssel dürften aber auch die US-Pläne für den nationalen Raketenschutzschirm und die jüngsten russischen Vorschläge für ein mobiles europäisches Abwehrsystem eine große Rolle spielen.