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Aus gegebenem Anlass erreicht das Klagen über die Qualität unserer Politiker einmal mehr einen neuen Höhepunkt. Tatsächlich machen seit Jahrzehnten die größten Talente jeder Generation einen großen Bogen um die Politik und alles, was mit dieser zusammenhängt. Dazu zählen auch die Medien. Leider. Das hat selbstredend vielfältige Gründe, und nicht alle sind zur Gänze selbst verschuldet, etwa die anhaltende ökonomische Misere am Medienmarkt. Aber entscheidende sind es eben doch.
In ihrer verhängnisvollen wechselseitigen bedingungslosen Abhängigkeit lassen Politik und Medien nur wenig unversucht, an jenem Ast zu sägen, auf dem sie beide gemeinsam sitzen. Und die vielgepriesenen Neuen Sozialen Medien, die doch eigentlich Teilhabe und Informationsfluss demokratisieren wollten, haben vor allem jener Häme und Gehässigkeiten ein Publikum verschafft, die früher nur hinter vorgehaltener Hand im kleinen Kreis geäußert wurde.
Nur eine ganz besondere Art von Talent fühlt sich von einem solchen Biotop angezogen, welches einem weitgehend voraussetzungslosen rasanten Aufstieg fast nichts - jedenfalls nichts Substanzielles - in den Weg legt: die Blender und Täuscher, die Spielernaturen und die Grenzgänger. Jörg Haider und Karlheinz Grasser etwa, und unzählige Geringere von ähnlichem Kaliber, verfügten unbestritten über großes Talent. Nur hat es dem Land wenig genutzt, dafür unendlich viel geschadet.
Aber was soll man auch erwarten von einer politischen Kultur, in der es genügt, aus einem Sample von 300 Befragten mit selektiver Fragestellung als Erstgereihter hervorzugehen, um schon als neuer Superstar der Innenpolitik ausgerufen zu werden. Und sodann vom Kanzler abwärts für alle möglichen und unmöglichen Funktionen des öffentlichen Lebens als tauglich befunden wird. Ohne jeden relevanten Leistungsnachweis, wohlgemerkt.
Das zu ändern, wäre eigentlich eine der drängenderen Aufgaben von Österreichs Politik. Revolutionen sind dabei keine vonnöten; es würde genügen, sich an bewährte Prinzipien aus anderen Lebensbereichen zu halten: Professionelle Nachwuchsarbeit, behutsame Karriereplanung inklusive der Chance, Fehler zu machen und aus diesen zu lernen. Und eine kritische Berichterstattung, die verlässlich heiße Luft von wirklichen Skandalen zu unterscheiden vermag.