Wenn ein Blattgemüse länger hält als die Regierungschefin.
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Was hält länger: Salat aus dem Supermarkt oder Liz Truss als Premierministerin? Im britischen Wirtschaftsmagazin "The Economist" witzelte am 14. Oktober ein Autor, dass die Truss die Haltbarkeitsdauer von Salat habe. Die reißerische konservative Boulevardzeitung "Daily Star" hat den Ball aufgenommen und einen Eisbergsalat in einem Livestream auf Sendung gebracht, dem man beim Verwelken zusehen konnte.
Am Donnerstag war klar: Der Salat hat das Rennen gemacht. Er sieht noch recht frisch aus, während die Premierministerin ihren Rücktritt erklären musste.
Truss war somit nur 44 Tage im Amt, nachdem sie mit der Ankündigung von auf Pump finanzierten Steuersenkungen das Vereinigte Königreich beinahe in eine schwere Finanzkrise gestürzt hätte. Die Anleihemärkte wurden ob dieser - gelinde gesagt - doch eher originellen Idee nervös, die Zinsen für Staatsanleihen stiegen und das britische Pfund stürzte ab.
Truss zog die Notbremse, opferte ihren Schatzkanzler (Finanzminister) Kwasi Kwarteng und setzte Jeremy Hunt an dessen Stelle, der flugs alle Kernpunkte des Wirtschaftsprogramms der Premierministerin kippte.
Damit war klar: Truss hat ihr gesamtes politisches Kapital verspielt, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ihren Amtssitz in Downing Street 10 räumen musste.
Doch wie konnte es zur Italienisierung der Britischen Inseln kommen? Seit dem Brexit im Jahr 2016 haben die Briten nun bereits den dritten Premier verschlissen.
Der EU-Austritt hat den Wirtschaftsstandort nachhaltig beschädigt, und das Vertrauen in die Vertragstreue Großbritanniens ist ebenfalls dahin. Das Land hat den Zugang zum Talentepool von Arbeitskräften aus der EU verloren, der Marktzugang zu den Ländern des europäischen Kontinents ist dahin. All die Lügen und Versprechen der Brexit-Befürworter haben sich in Luft aufgelöst, statt einer glorreichen Renaissance von Britannia ist Großbritannien heute dort, wo es in den frühen 1970er Jahren - vor dem Beitritt zur Europäischen Union - schon einmal war: ein Land im Niedergang an der nordwestlichen Peripherie Europas.
Nun suchen die britischen Konservativen ihren nächsten Kandidaten für Amt des Premiers.
Doch Labour würde im Moment die Tories vernichtend schlagen, konservative Parlamentsabgeordnete sind verzweifelt: "Es reicht mit den talentlosen Leuten", sagte unlängst einer der Abgeordneten dem britischen Sender BBC und berichtete, dass die meisten seiner Kollegen um ihre Sitze in Westminster bangen.
Die Konservative Partei bekommt nun verspätet die Rechnung für das Brexit-Desaster präsentiert. Sie hat ihren Führungsanspruch in London verspielt.