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Salomonen-Inseln am Abgrund

Von Frank Brandmaier und Sid Astbury

Politik

Das Land hat eine Flagge, eine Nationalhymne und sogar einen Sitz bei den Vereinten Nationen. Sonst aber ist den südpazifischen Salomonen-Inseln an Staatlichkeit nicht viel geblieben. Die Macht haben kriminelle Banden in Händen, das Parlament in der Hauptstadt Honiara nimmt niemand ernst, und die Regierung ist derart bankrott, dass es nicht einmal zum Druck von Banknoten reicht. Von einem verzweifelten Hilferuf an die großen Nachbarn Australien und Neuseeland erhoffen sich die Insel-Offiziellen nun Rettung aus dem Chaos. Allein Canberra, an der Spitze einer regionalen "Koalition der Willigen", plant die Entsendung von bis zu 2.000 Sicherheitskräften, um den totalen Zusammenbruch abzuwenden.


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"Wie soll sich ein Ertrinkender denn selbst retten?", fragt der Parlamentssprecher der Salomonen, Sir Peter Kenilorea. "Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem uns Hilfe bei der Regierungsführung nur nützlich sein kann." Ähnlich sieht das der australische Regierungschef John Howard, der fürchtet, die rund 1.000 Eilande mit ihren rund 500.000 Einwohnern könnten zum unkontrollierbaren Verbrechernest in der Region werden. "Wenn wir jetzt nichts tun, der Staat auf den Salomonen versagt und internationale Drogenhändler, Geldwäscherbanden und Terroristen die Lage ausnutzen, wird das Problem künftig nur kostspieliger und komplizierter."

Auf der ersten Blick scheint die Inselgruppe, rund 2000 Kilometer nordöstlich von der australischen Küste gelegen, hingegen wie ein Südseeparadies. Taucher schwärmen von Weltklasse-Revieren, Strände sind Palmen-gesäumt, Berge von dichtem Regenwald überwuchert, und die Menschen, mehrheitlich Melanesier, gelten als überaus freundlich. 1567 stieß Mendana de Neyra auf den Archipel; zeitweise gehörten die meisten Inseln zum britischen Imperium. Seit 1978 sind die Commonwealth-Eilande unabhängig und eine parlamentarische Monarchie.

Doch birgt die Wirklichkeit wenig Traumhaftes. Australien hat guten Grund, nicht nur Polizisten, sondern auch Soldaten auf die Salomonen zu entsenden - Waffen sind auf den Inseln allgegenwärtig, Milizen haben in der Hauptstadt das Sagen. Als Ursache der Gewalt gilt ein schwelender Bürgerkrieg zwischen Ureinwohnern auf der Hauptinsel Guadalcanal und Zuwanderern von der nahen Provinz Malaita. Zwar wurde der Konflikt vor drei Jahren offiziell beigelegt. Aber noch immer treiben bewaffnete Banden ihr Unwesen. Mehr als 30 Menschen kamen dabei nach BBC-Angaben allein in diesem Jahr ums Leben.

Anfang 2003 hatte der Archipel schon einmal für Schlagzeilen gesorgt, als der Wirbelsturm "Zoe" über die Inseln hinwegfegte und zeitweise der Tod tausender Menschen befürchtet worden war. Das erwies sich glücklicherweise als Gerücht. Doch das Land stöhnt auch ohne Naturkatastrophen über eine schwindsüchtige Wirtschaft, die im vergangenen Jahr um dramatische zehn Prozent schrumpfte.

Australien, in Abkehr von seiner bisherigen Politik der Nichteinmischung in Angelegenheiten der pazifischen Nachbarn, erwartet kein kurzfristiges Engagement. Recht und Ordnung wieder herzustellen könnte ein Jahr dauern, die Wirtschaft zu stabilisieren vielleicht ein Jahrzehnt, heißt es von Beobachtern. "Das wird ein länger währender Prozess. Eine ganze Reihe staatlicher Institutionen ist zusammengebrochen", erläutert Verteidigungsminister Robert Hill.

Doch weiß Canberra auch, dass die Entsendung von Eingreiftruppen schnell als neue Form des Kolonialismus gedeutet werden könnte. Umso wichtiger für Australien sind deshalb Zusagen Neuseelands, Papua-Neuguineas und der Fidschi-Inseln, sich mit eigenen Sicherheitskräften an der Aktion zu beteiligen. An diesem Montag will Australiens Außenminister Alexander Downer sich der Rückendeckung der Südpazifik-Staaten versichern. Für den 8. Juli wird erwartet, dass das Parlament in Honiara dann Grünes Licht für die Aktion gibt. dpa