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International vernetzter jüdischer Verein. | Salonkonzept für die Generation Facebook. | Noch bis 22. Mai bei Soho in Ottakring. | Wien. Die meisten jüdischen Vereine in Wien sind ein Angebot an Mitglieder der hiesigen jüdischen Gemeinde: Es wird gemeinsam gebetet, gelernt, gesportelt, die Freizeit miteinander verbracht. Salon Vienna ist anders. "Wir wollen Räume schaffen, in denen Austausch möglich ist", beschreibt die Obfrau des Vereins, Judith Scheer, das Ziel des Salons. Er ist Teil des von Israel ausgehenden Netzwerks "Jewish Salons" und wurde vor einem Jahr in Wien gegründet.
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Zusammengefunden haben sich hier junge Wiener und in Wien lebende Israelis - "halachisch jüdisch und nicht-jüdisch, von mehr bis weniger observant", so Scheer. Gearbeitet wird mit moderner Kunst und Kultur. Je nach Veranstaltung kommen dabei die verschiedensten Kunstgattungen zum Einsatz. Das Eröffnungsevent setzte sich mit "Bereschit", also der Genesis auseinander, dazu wurde das Mittel der Installation gewählt. Für einen Abend zu "Schemot" (Exodus) holte der Salon die israelische Band "Funk’n’stein" nach Wien.
Aktuell ist der Salon bei Soho in Ottakring zu Gast. Das diesjährige Thema von Soho lautet "Kick the Habit! Ventil Rassismus". Hier klinkt sich der Salon mit der "Salon Vienna in Soho Galerie" ein (Kalvarienberggasse 17, 1170 Wien, noch geöffnet 19. bis 22. Mai, jeweils 17 Uhr bis 22 Uhr). Zu sehen ist eine Ausstellung mit Werken zum Thema "Inclusion and Exclusion", darunter eine verstörende Fotoarbeit der israelischen Künstlerin Shlomit Migay, betitelt "everybody bleeds the same". Die 26-jährige Künstlerin kombiniert für ihre Kunstwerke Bodypainting, Make-up und Styling mit Fotografie. Der Besucher erstarrt, wenn er hier den Schnitt in den Brustkorb einer Frau sieht, in den ein Judenstern der Nazis gesteckt wurde.
Aber auch österreichische Künstler haben hier Werke eingereicht: etwa Julia Überreiter die Skulptur "Einsicht", eine Art Helm aus Suppenlöffeln, zu verstehen "als Metapher des einseitigen Blicks auf Menschen, Dinge, Situationen". Oder Christina Hartl-Prager, die eine Lichtinstallation kreiert hat ("Oh my God").
Ein Prinzip des Salon Vienna ist, dass er nicht nur zum Konsumieren von Kultur, sondern auch immer zum Mitmachen einlädt. An einem Board kann in Soho jeder ein Zettelchen anpinnen mit dem Grund, was andere an ihm oder ihr befremdet. "Bin hier nicht geboren" hat jemand notiert, aber auch "Bin Tschusch", "Weil ich wie sie bin" oder "meine dicken Augenbrauen".
In der Kugelschreiberfabrik
Obwohl der Holocaust kein Thema des Salons ist, hat man für Soho die Brücke zur Vergangenheit geschlagen, so Yvonne Feiger, organisatorische Leiterin von Salon Vienna. Der Ausstellungsraum, untergebracht in einer ehemaligen Kugelschreiberfabrik, befindet sich in Nähe des früheren Hubertempels in Ottakring, an dessen Platz heute ein Gemeindebau steht. Salon Vienna projiziert nun Innen- und Außenansichten dieser Synagoge (rekonstruiert im Rahmen des Projekts "Die zerstörten Synagogen Wiens" durch die Architekten Bob Martens und Herbert Peter) an eine Wand des Ausstellungsraums.
Synagoge rekonstruiert
Die Israelin Sheri Avraham, sie studiert Konzeptkunst bei Marina Grzinic an der Akademie der Bildende Künste und ist auch Mitglied des Salon-Führungsteams, hat an der gegenüberliegenden Wand einen Teil der Synagoge räumlich rekonstruiert. Sie betont: "Hier geht es darum, dass sich hier Menschen versammeln - aber nicht aus religiösen Gründen, sondern weil es hier um ein kulturelles Erbe geht."
Womit man bei einer zentralen Frage an die Salon-Macher landet: Warum werden für die Veranstaltungen religiöse Themen gewählt, wenn hier mit junger, moderner Kunst gearbeitet wird? "Wir bauen auf der Tradition auf, auf dem, was vorhanden ist", sagt Scheer. Und: "Nur, weil wir zeitgemäß und modern leben, heißt das nicht, dass man sich von der Tradition abwenden muss."
Für den (nichtjüdischen) Besucher bedeute das: Hier wird nichts über das Judentum erzählt oder gelehrt, hier wird gelebtes Judentum sichtbar gemacht. "Es gibt ja sehr viele Grauzonen im Judentum", so Feiger, "jeder lebt sein eigenes Judentum. Wir bieten daher keine Antworten." Scheer ergänzt: "Wir zeigen, wie es ist."
Nacht des Lernens
Und wie das Judentum auch sein kann, das zeigte der Salon bei der Eröffnung von Soho in Ottakring, als die Synagogeninstallation bei einem DJ-Abend zur Tanzfläche wurde. Oder am vergangenen Wochenende, als der Salon zur "Layla Lawan" lud (hebräisch: weiße Nacht), die anlässlich des jüdischen Fests Schawuot begangen wird, bei dem man sich mit einer Nacht des Lernens an den Erhalt der zehn Gebote erinnert. Der Salon gestaltete stattdessen eine Nacht der Kultur: Der Schriftsteller Frederic Morton, der einst im Hubertempel seine Bar Mitzwa feierte, war dabei ebenso zu Gast wie die jüdische Sängerin Jazz Gitty und Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg.
Insgesamt sei es dem Salon ein Anliegen, nicht ein per se jüdische Themen zu behandeln, sondern die jüdische Perspektive zu erzählen, sodass die Gäste dann ihre Sichtweisen beisteuern könnten, so Scheer. "Und wir wollen dabei allen das Gefühl geben, willkommen zu sein", betont Feiger. "Man soll hier Zeit verbringen, sich austauschen." Bisher sei das auch bei allen Veranstaltungen gelungen.
www.jewishsalons.net www.sohoinottakring.at