Kandahar - Nach dem Angriff der US-Luftwaffe auf ein afghanisches Dorf mit bis zu 40 Toten und 70 Verwundeten, zumeist Frauen und Kindern, haben die Regierung in Kabul und die US- Streitkräfte Ermittlungen aufgenommen. Beide Seiten schickten am Dienstag Spezialisten auf den Weg nach Kakarak, rund 280 Kilometer südwestlich von Kabul, um herauszufinden, wie es zu dem folgenschweren Vorfall kommen konnte.
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Ein örtlicher Behördenvertreter, Nur Mohammed, erklärte, die Afghanen seien "außer sich, weil so viele unschuldige Menschen gestorben sind".
Nach afghanischen Angaben hatten Gäste einer Hochzeitsfeier Salutschüsse abgegeben, wie dies bei solchen Anlässen üblich ist. Die Amerikaner hätten es irrtümlich für einen Angriff gehalten. Die US-Militärführung auf dem Stützpunkt Bagram bei Kabul zog diese Angaben am Dienstag in Zweifel. Freudenschüsse würden normalerweise wahllos in die Luft gefeuert, sagte Oberst Roger King. Doch die Besatzungen an Bord der US-Maschinen hätten den Eindruck gehabt, die Schüsse würden gezielt auf sie abgefeuert. Kakarak liegt in einer Gegend, wo Spezialeinheiten nach flüchtigen El-Kaida- und Taliban-Kämpfern suchen. Am Tag zuvor hatten US-Soldaten in derselben Gegend ein gutbestücktes Waffenlager ausgehoben.
"Die USA sprechen den Angehörigen der Opfer ihr tiefstes Mitgefühl aus", sagte King. Krankenhausmitarbeiter in Kandahar berichteten, eine der Verletzten, ein sechs Jahre altes Mädchen, habe bei der Einlieferung noch ihr Festkleid getragen. Alle Mitglieder ihrer Familie seien getötet worden. Die siebenjährige Malika verlor ihre Eltern, ihren Bruder und ihre Schwester, wie Nachbarn den Ärzten berichteten.
Erst in der vergangenen Woche hatte der neu gewählte afghanische Präsident Hamid Karsai in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP die USA zu größerer Zurückhaltung bei Razzien und Militäraktionen in Dörfern aufgerufen. Zuvor war bekannt geworden, dass US-Soldaten bei einer Razzia in einem Anwesen Frauen gefesselt hatten - was in Afghanistan als schwerer Tabubruch gilt - und ein dreijähriges Mädchen in einem Brunnen ertrank, in dem es sich versteckt hatte. "Wir bitten die Amerikaner um mehr Vorsicht bei ihren Angriffen", sagte der Sprecher der Provinzregierung. Nach seinen Angaben wurden vor etwa drei Monaten in der selben Region 30 Personen durch US-Luftangriffe getötet.