Italiens Regierung kriselt. Fällt bei der Regionalwahl die rote Emilia-Romagna, könnten Neuwahlen näher rücken.
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Sein Rücktritt sollte wie eine Befreiung wirken. Doch verdeutlichte die Demission von Luigi Di Maio als Vorsitzender der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) am Mittwoch nur die Krise in der italienischen Regierung. Die Nervosität in Rom ist groß, Premier Giuseppe Conte sagte seinen für Donnerstag geplanten Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos ab. Er müsse sich um "dringenden Themen" kümmern, teilte Contes Pressestelle knapp mit.
Der Jurist verdankt den Fünf Sternen seinen Aufstieg zum Premier. Erst führte der Parteilose das Bündnis der Populisten von M5S und Lega an. Seit dem Bruch im Sommer regieren die Fünf Sterne mit dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD).
Hier arbeitet zusammen, was nicht zusammengehört. Beisammengehalten - auch mithilfe der Kleinpartei des ehemaligen Premiers und Ex-PD-Chefs Matteo Renzi - werden sie durch die Angst vor Neuwahlen. Müssten die Italiener nun zu den Urnen schreiten, läge das Rechtsbündnis - die populistische Lega unter dem früheren Innenminister Matteo Salvini, Forza Italia von Medienmogul und Ex-Premier Silvio Berlusconi und Giorgia Melonis postfaschistische Fratelli d’Italia - bei 47 Prozent.
Widerstand kommt vor allem aus der Zivilgesellschaft
Die Legislaturperiode endet zwar erst 2023, doch kaum jemand glaubt, dass die Regierung bis dahin durchhalten wird. Der Zerfallsprozess könnte sich am Sonntagabend beschleunigen, wenn die Ergebnisse der Regionalwahlen aus Nord und Süd, aus der Emilia-Romagna und Kalabrien, feststehen.
Die Emilia-Romagna war nicht nur das größte Widerstandsnest gegen Benito Mussolinis faschistisches Regime, auch wurde sie nach Kriegsende stets von Linken regiert. Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten lösten einander als Präsidenten der Region ab. Nun aber liegt das Rechtsbündnis in Umfragen gleichauf mit dem PD. Ein Sieg der Lega- Spitzenkandidatin Lucia Borgonzoni zwischen Piacenza und Rimini wäre eine symbolische Trophäe für Parteichef Salvini. Erobert die Lega die "rote Emilia", ist landesweit alles möglich.
Der ebenso gnadenlose wie begabte Populist tourt daher unermüdlich in der Region. In Ferraris Heimat Maranello nimmt Salvini das Image der Marke mit dem springenden Pferd wie selbstverständlich für sich in Beschlag und tritt mit einer Kappe auf, auf der das Firmenwappen prangt. Alleine am Donnerstag nahm er acht öffentliche Termine in sechs Städten der Region wahr. Sein Kommunikationsteam hämmert im Stundentakt in den sozialen Medien eine Botschaft in unterschiedlichen Varianten: Alle wünschen sich den Ex-Innenminister zurück - diesmal aber gleich an der Regierungsspitze. Sei es beim Bad in der Menge, beim Posieren mit dem Trainer des Fußballclubs FC Bologna oder beim Handschlag mit einem dunkelhäutigen Mann aus Neuguinea - Verweis auf die Zustimmung der Bürger zu Salvinis rigoroser Migrationspolitik.
Mit Gegenwind muss die Lega vor allem aus der Zivilgesellschaft rechnen. Nicht zufällig entstand die Protestbewegung der "Sardinen" im vergangenen Jahr in Bologna, Hauptstadt der Emilia-Romagna. Die linken Parteien und die Fünf-Sterne-Bewegung haben Salvini wenig entgegenzusetzen. Wie so oft, wenn Parteien über Jahrzehnte regieren, machen sich Verschleißerscheinungen bemerkbar. "Die Leute sind müde vom Status quo", meint der Präsident der örtlichen Handelskammer, Valerio Veronesi, gegenüber dem Wirtschaftsportal Bloomberg.
Bologna - die alte Dame mit Hüftspeck
Traditionen und Klischees nahm Sänger Francesco Guccini auf und goss sie in die Kritik, Bologna sei eine alte Dame mit Hüftspeck. Er spielt darauf an, dass die Regions-Hauptstadt nicht nur tiefrot ist, sondern auch Heimat der Tortellini und die älteste Universität Europas beherbergt.
Die traditionelle Antipathie gegen Rechts könnte Wähler von der Stimmabgabe für Lega oder deren Partner abhalten und den Sieg für die PD retten, hoffen die Sozialdemokraten.
Selbst wenn das gelingen sollte, steht die Zukunft der Koalition in Rom in den Sternen. Das liegt weniger an den inhaltlichen Unterschieden. Über Jahre aber fluchten Peppe Grillo und seine Getreuen über die traditionellen Parteien und zogen vor allem enttäuschte Linke an. Teile der Bewegung wittern in der nunmehrigen Koalition Verrat. Die Schuld können sie nicht nur auf Di Maio laden, die M5S-Mitglieder stimmten dem Koalitionspakt zu. Eine zerrissene Partei zu befrieden ist aber noch viel schwieriger, als einen Parteichef loszuwerden.