Zum Hauptinhalt springen

Salzburg kann jetzt Zürich werden

Von Edwin Baumgartner

Analysen

Alexander Pereira wird Intendant der Festspiele Salzburg. | Erfahrungen im Konzert- und im Opernsegment. | Ein Zeichen für die behutsame Festspiel-Modernisierung. | Alexander Pereira wird neuer Intendant der Salzburger Festspiele. Das hat das Kuratorium der Festspiele am Dienstag entschieden. Pereira folgt Jürgen Flimm nach. Wann genau, ist noch nicht sicher. Flimms Vertrag läuft nämlich bis 2011. Allerdings will Flimm bereits 2010 aussteigen, um sich ganz seiner nächstes Jahr beginnenden Intendanz der Berliner Staatsoper Unter den Linden widmen zu können.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der Wahl Pereiras war ein Dreiervorschlag vorausgegangen, den die eigens einberufene Findungskommission am Freitag voriger Woche dem Kuratorium vorgelegt hatte. Fast scheint es, als sei dieser Dreiervorschlag, obwohl er ausdrücklich keine Reihung enthielt, auf Pereira zugeschnitten gewesen. Zumindest bei guten Kennern der Situation hatten die beiden anderen Kandidaten nämlich Kopfschütteln ausgelöst:

Stéphane Lissner hinterlässt auf dem Opernsektor nur wenig bedeutende Spuren als Musikintendant der Wiener Festwochen und ist obendrein vertraglich an die Mailänder Scala gebunden, wo er wiederholt als Krisenfeuerwehr die Streiklust der Belegschaft unter Kontrolle bringen muss.

Pierre Audi hat sich bei den Salzburger Festspielen durch eine von den meisten Kommentatoren abgekanzelte Inszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts "Zauberflöte" nachteilig eingeführt; zweifellos reüssiert er als Intendant des Holland Festivals. Auf die Frage, ob die Übertragung der dortigen esoterischen Programmgestaltung an der Peripherie des Publikumsinteresses in das eindeutig kommerzieller orientierte Salzburg gelingen könnte, schien dem Kuratorium die Antwort mit Ja offenbar zu riskant.

Zumal auch ohne direkte Vergleiche sehr viel für Alexander Pereira spricht. Nicht zuletzt, dass er sowohl im Bereich Konzert- als auch in jenem des Opernmanagements langjährige Erfahrungen hat.

Geboren wurde Pereira am 11. Oktober 1947 in Wien. Er studierte Gesang, sammelte seine ersten Erfolge allerdings nicht in einem künstlerischen Betrieb, sondern als Touristikmanager in London. Zwölf Jahre lang war er dann für den Schreibmaschinenhersteller Olivetti tätig, dessen Geschäftsstelle in Berlin er leitete. 1979 erhielt der musikbegeisterte Manager von Hermann Josef Abs, dem damaligen Chef der Deutschen Bank, den Auftrag, zusammen mit Katharina von Bismarck die Frankfurter Bachkonzerte zu veranstalten, die von der Deutschen Bank gegründet worden waren. Von 1979 bis 1983 war Pereira Vorstandsmitglied der Frankfurter Bachkonzerte.

Erfolgreich in Zürich mit feiner Nase für Trends

1984 wurde der damals nur in Fachkreisen bekannte Pereira als Generalsekretär der Konzerthausgesellschaft nach Wien berufen. Bereits 1989 war er als Intendant der Salzburger Festspiele im Gespräch, ging aber, noch ehe sich Pläne konkretisierten, an das Opernhaus Zürich. Mit einzigartigem Geschäftssinn und beharrlicher Aufbauarbeit gelang es ihm, das Schweizer Haus aus Millionenschulden heraus zu führen und sogar mit Gewinn zu betreiben.

2005 lehnte der Rennpferd-Besitzer und begeisterte Hobbykoch ein Angebot der Mailänder Scala ab, um sich weiter seiner Arbeit in Zürich widmen zu können, wo sein Vertrag bis Sommer 2012 läuft.

In den Grundzügen sind Pereiras Konzepte, die er seinerzeit im Konzerthaus und dann auch an der Zürcher Oper verfolgte, auf Salzburg übertragbar. Pereira ist ein Intendant, der die Kulturschock-Behandlung des Publikums meidet und lieber auf behutsames Heranführen an entlegenere Bereiche setzt.

Wobei er über eine feine Nase für Trends verfügt. So setzte er an der Zürcher Oper Barockopern zu einer Zeit an, als diese Werke im Normalbetrieb noch als verloren galten. Der Musik des 20. Jahrhunderts bis herauf in die Gegenwart räumte er (wie schon in seiner Konzerthaus-Direktion) reichlich Platz ein, ohne sie überzubetonen.

Auf dem aktuellen Spielplan der Zürcher Oper stehen beispielsweise Giuseppe Verdis "Aida" und "Don Carlo" ebenso wie Richard Wagners "Ring des Nibelungen", Giacomo Puccinis "La Bohème" und Wolfgang Amadeus Mozarts "Così fan tutte". Es finden sich aber auch "Griechische Passion" von Bohuslav Martinu, und "The Rake´s Progress" von Igor Strawinski, Georg Friedrich Händels "Agrippina" und "Semele" sowie Joseph Haydns "La fedeltà premiata" - Werke die keineswegs zum normalen Repertoire vergleichbarer Häuser gehören.

Regietheater - ohne extreme Auswüchse

Ein weiteres Erfolgsrezept Pereiras ist es, Künstler durch Vertrauen in ihre Arbeit an sich zu binden. So war er in Wien nicht nur der Entdecker des Dirigenten Franz Welser-Möst, sondern förderte dessen Karriere nachhaltig, als er ihn in Zürich zum Chefdirigenten machte.

Mit Alexander Pereira verbunden sind auch Regisseure wie Martin Kusej, Robert Wilson, Claus Guth, David Pountney und Sven-Eric Bechtolf. Die Präferenz liegt also klar auf dem Regietheater, allerdings unter Aussparung von dessen extremen Auswüchsen. Dirigenten, die man mit Alexander Pereiras Management verbindet, sind, neben Welser-Möst, Nikolaus Harnoncourt, William Christie, Marc Minkowski und Ingo Metzmacher.

Eine andere Frage ist, ob das Kuratorium der Salzburger Festspiele nach zwei wenig erfolgreichen internationalen Leitern eine nationale Lösung wollte. Pereira wird schließlich längst nicht mehr als Österreicher wahrgenommen. Wenn aber der Prophet ins eigene Land zurückgeholt wird, kann man dem guten Gewissens mit Stolz und - im konkreten Fall - wohl auch Erleichterung begegnen.