Grüne in Landesregierung verordnen auf der Stadtautobahn Tempo 80.
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Salzburg. Am Donnerstag bekam Salzburg, was Linz und Wien bereits haben: ein Stück Stadtautobahn mit einer Begrenzung von 80 Stundenkilometer. Vorerst handelt es sich um einen dreimonatigen Probebetrieb, doch geht es nach Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Rössler von den Grünen, die den Probebetrieb verordnet hat, soll daraus ein Dauerzustand werden.
Es ist das erste klassisch grüne Projekt, das Rössler nun startet, seit die Salzburger Grünen im vergangenen Sommer in die Landesregierung eingezogen sind. Sie will mit der Tempobeschränkung die Luftqualität verbessern und argumentiert mit dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung. "Wir erwarten uns dadurch eine wesentliche Reduktion der Stickoxid-Belastung", sagt Rössler.
Nach Berechnungen der Umweltabteilung des Landes entspricht die Wirkung der Temporeduktion in Sachen Luftgüte einer Sperre der Autobahn für eineinhalb Monate jährlich oder in Sachen Lautstärke einer Verkehrsreduktion um 30 Prozent. Doch Rössler trifft mit ihrer Initiative auch auf empörten Widerstand, der sich bisher vor allem in den sozialen Medien entlädt.
Dass der Zeitverlust gegenüber Tempo 100, der zuvor geltenden Beschränkung, nur eineinhalb Minuten beträgt, besänftigt die wütenden Autofahrer nicht. Sie ärgern sich vor allem darüber, dass die bestens ausgebaute Autobahn so ihren Sinn verliere. Knapp 37.000 Facebook-Likes hat die Initiative "Gegen Tempo 80 auf der sechsspurigen Autobahn" gesammelt. Hinter der Initiative steht der Rechtsanwalt Peter Harlander, der bei der Gemeinderatswahl am 9. März in der Stadt Salzburg für die ÖVP kandidiert.
Und nicht erst damit ist das Thema mitten im Gemeinderatswahlkampf gelandet. Das Thema Verkehr gehört in der Salzburger Lokalpolitik seit Jahrzehnten zum guten Ton. Diskutiert wird vor jeder Wahl, doch am regelmäßigen Stau und dem unzuverlässigen Öffi-System ändert sich wenig. Dass es sich bei Tempo 80 auf der Autobahn um eine Initiative des Landes handelt, hindert die Stadtparteien auch nicht, eine Meinung dazu zu haben.
Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) ist dagegen und wollte auf eine Einhebung der fälligen Strafen verzichten. "Wir wollen dieses Abzockergeld nicht haben", sagte er nach Rösslers Ankündigung. Inzwischen musste er sich den Fakten beugen und die Stadt muss als Zuständige etwaige Strafen einheben. Die grüne Bürgerliste unterstützt Rösslers Vorstoß und plakatiert die Landesvorsitzende sogar auf den eigenen Wahlkampfplakaten.
Zurück in die 70er Jahre
Die FPÖ ist ebenso dagegen wie die Stadt-ÖVP. Letztere fährt unter dem Fahrschulbesitzer Harald Preuner einen strikten Autofahrerkurs. Parteifreund und Landeshauptmann Wilfried Haslauer gibt sich gegenüber dem Koalitionspartner großzügig. "Ja, mein Gott. Sie wollen das haben. Man muss ihnen was lassen", sagt er über den Wunsch der Grünen.
Damit ist er in der ÖVP nicht alleine, der ÖVP-Bezirksvorsteher von Graz-Liebenau, Karl Christian Kvas, fordert in Anlehnung an die Salzburger Idee Tempo 80 auf der Autobahn auch für Graz. In Sachen Luftgüte mag das Auswirkungen haben, Verkehrsprobleme löst eine solche Verordnung aber nicht - weder in Graz noch in Salzburg.
Denn in Salzburg ist der Anteil des öffentlichen Verkehrs von 1995 bis 2004 - neuere Zahlen gibt es nicht - von 21 auf 16 Prozent zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil des Autoverkehrs von 39 auf 46 Prozent. Die Stadtpolitik sieht dieser Entwicklung wortreich, aber weitgehend tatenlos zu.
"Ich fühle mich wie in einer Zeitmaschine", sagt der Grünen-Veteran Johannes Voggenhuber, in den 1980er Jahren in Salzburg erster grüner Stadtrat Europas. "Wir diskutieren seit Jahrzehnten dieselben Probleme und dazwischen passiert nichts", meint Voggenhuber. Diesen Befund teilt er mit Eduard Mainoni, Ex-FPÖ/BZÖ-Staatssekretär, der bei der Gemeinderatswahl für den Stronach-Ableger Team Salzburg kandidiert.
In der Stadt wollen SPÖ und ÖVP wie in den 1970er Jahren in einem der zwei Stadtberge mit einer Garagenerweiterung zusätzlichen Parkraum schaffen. Andererseits wird seit mehr als 15 Jahren ohne konkrete Ergebnisse über eine Stadtregionalbahn diskutiert. Diese ist ein noch zu definierendes Etwas aus S-, U- und Straßenbahn.
Egal wie die Evaluierung von Tempo 80 auf der Autobahn ausgehen wird, danach wird angeregt diskutiert werden. Und Salzburg wird statt einer Verkehrslösung ein weiteres emotionales Verkehrsthema haben.